Morgens um Fünf wurden wir wach: Die Sonne ging auf, und ihre Strahlen schienen genau auf das Zelt. Wir mußten nur den Reißverschluß öffnen und erlebten den einzigen, und deshalb natürlich schönsten Sonnenaufgang unseres Urlaubs. Von dem Unwetter war an unserem steinigen Strand nichts mehr zu sehen. Wir drehten uns noch einmal herum und schliefen, bis es im Zelt zu heiß wurde.
Da an der Küste keine Straße entlangführte, schnitten wir die Halbinsel ab und fuhren auf geradem Weg nach Ängelholm. So gerade wurde der Weg dann allerdings doch nicht, denn der Bogen kam in vertikaler Richtung. Um die Hügelkette auf der Halbinsel zu überqueren, mußten wir einige steile Serpentinen emporkeuchen. Dafür belohnten wir uns in einem kleinen Dorf mit Melonen und Kirschen.
Drüben ging es schnell wieder hinunter, und auf kleinen Straßen näherten wir uns Ängelholm. Ringsumher stand das Wasser auf den Feldern, das Korn lag auf der Erde und die Straßen waren an manchen Stellen schlammig. Das gestrige Gewitter hatte hier sehr sichtbar gewütet!
Ängelholm erreichten wir auf einer großen Straße, konnten aber abbiegen und durch kleine Siedlungen ins Zentrum vordringen. Dort erwartete uns ein kleiner, alter Marktplatz. In der Touristeninformation versorgten wir uns mit Prospekten zu Land und Leuten, und in einem Freiluftrestaurant aßen wir nach den guten Erfahrungen in Varberg gleich Mittag. Auch diesmal gab es ein einfaches, preiswertes Essen mit Getränk und Salat.
Nach mehreren Tagen an der Westküste hatten wir nun keine Lust mehr, weiter um die E6 herumpendelnd Urlauberdörfer anzusehen. Skåne war uns in so guter Erinnerung, daß eine Fahrt quer durchs Land viel anziehender wirkte. So verabschiedeten wir uns hier vom Kattegatt und wandten uns auf kleinen Straßen nach Südosten. Hügelauf und hügelab fuhren wir durch leuchtend gelbe Rapsfelder, an überschwemmten Flußauen vorbei und durch kleine, verträumte Dörfer. Durch ein Mißverständnis gerieten wir einmal auf die ,,kleinen roten Straßen``, die in der Praxis Waldwege sind. Meist rollten aber die Räder über glatten Asphalt.
Wir genossen immer wieder die zurückhaltende und auf Sicherheit bedachte Fahrweise der schwedischen Autofahrer. Beim Überholen blieben links von uns Sicherheitsabstände, wie ich sie sonst nur aus der Theorie kenne. An Einfahrten wird gewartet, möglichst bis die Straße bis zum Horizont frei ist. Mit unserem Chemnitzer Großstadtfahrstil sind wir bestimmt als risikofreudig aufgefallen, schließlich reichte es uns, wenn das nächste Fahrzeug 100 m entfernt war. An Kreuzungen kam es mitunter vor, daß alle warteten und sich gemächlich einigten, wer nun als erster fahren dürfe. Meist ließ man uns den Vortritt, denn Reiseräder zu beschleunigen, ist harte Arbeit. Die einzige Ausnahme erlebten wir bei der Überquerung eines kleinen Hügels, als von beiden Seiten je zwei Fahrzeuge auf einer Straße kamen, auf der wir seit einer Stunde allein waren. Der eine Fahrer hinter uns hielt es wohl auch für absolut unmöglich, daß außer ihm, seinem Vordermann und den Radfahrern noch jemand gerade jetzt hier unterwegs sein sollte und fing munter an zu überholen. Ich sah schon das Brechen der Kotflügel vor mir und bremste scharf, um nicht in den Splitterregen zu kommen. Ein lautes Quietschen ertönte, der Gegenverkehr bog auf den Randstreifen ab, der Überholer verringerte den Abstand zu uns auf ein Minimum von etwa 40 cm, dann war alles vorbei. Vermutlich klopften den Fahrern die Herzen genauso wie uns, aber kein Hupen ertönte, keine böse Geste war zu sehen, nichts. Sie fuhren mit einem kurzen Gruß einfach weiter. Auch dieses Erlebnis konnte uns das Gefühl der Sicherheit nicht nehmen. Während unseres gesamten Urlaubs sahen wir keinen Unfall, nicht einmal die Spuren davon. Verglichen mit Chemnitz, wo täglich die Sirenen der Unfallwagen zu hören sind, war das Erholung pur.
Auch heute mußten wir auf Rückenwind verzichten und wurden allmählich müde. Röstange bot sich als Tagesziel an. Der Campingplatz lag neben dem Freibad an einem Hang. Eine frische, leicht abschüssige Wiese sah auf den ersten Blick sehr gut aus, entpuppte sich aber als etwas sumpfig. Die gestrigen Regenfälle hatten den Platz kurzzeitig in ein Netz kleiner Bäche und Rinnsale verwandelt, die von der Erde dankbar aufgesogen wurden. Vorsichtig suchten wir eine akzeptable Stelle. Die nächsten Camper mußten ihr Zelt bereits auf einen sehr feuchten Fleck stellen.
Nach dem Abendessen kamen wir mit einem schwedischen Paar ins Gespräch. Der Mann war Lehrer für geistig Behinderte. Seine scharfe Beobachtungsgabe und sein reiches Wissen ließen unser Geplauder von Thema zu Thema springen, und als wir uns endlich verabschiedeten, hatte die Nacht bereits Einzug gehalten.