Camping mit Kind

Ein Radurlaub über Rügen und Bornholm

Ludwig wurde am 17. Juli 2001 zehn Monate alt. Alt genug für einen Fahrradurlaub, behaupteten wir. Stimmt das auch? Wir wollten es wissen und starteten mit zwei Rädern, Kinderanhänger, Zelt, Schlafsäcken, Kocher und einiger weiterer Ausrüstung in einen dreiwöchigen Urlaub.

Die Räder bepackten wir, wie auf vielen bisherigen Touren geübt. Eine Packtasche wurde umgewidmet und enthielt nun Ludwigs Sachen. Dafür kam ein Packsack hinzu, in dem wir die Isomatten und Ludwigs Schlafsack verstauten. Das Zelt transportierten wir später im Anhänger, während der Bahnfahrten wurde es wie sonst auch in die Packtaschen gequetscht. Außerdem befanden sich noch ein mehr oder weniger großes Windelpacket im Hänger und die verderblichen Lebensmittel, weil unter der Sitzbank die kühlste Stelle war.

Bis kurz vor dem Urlaub reiste Ludwig in einer Babyschale. Inzwischen war er ziemlich gewachsen und steckte seine Füße vorn heraus. Vor allem aber konnte er selbständig sitzen, so daß wir beschlossen, die Schale zu Hause zu lassen und ihn richtig in den Anhänger zu setzen. Wir packten noch ein Sitzkissen und ein Halskissen (einen Ring, damit der Kopf im Schlaf nicht zur Seite abknickt) ein. Trotzdem waren wir gespannt, wie er die neue Lage im Hänger verkraften würde. Fest angeschnallt, mit Halskissen und Kopfstützen konnte ihm nichts passieren, auch wenn er schlief - aber würde er es bequem finden?

Erst mal nach Südosten

Freitag, 6. Juli 2001

Wir reisten zwar in den Norden - aber mit einem Umweg über Rudolstadt. Das Tanz- und Folkfest wollten wir uns nicht entgehen lassen. Das Experiment "Eisenbahnfahrt mit zwei bepackten Rädern, Anhänger und Kind" klappte besser als erwartet. Der Ritschie ließ sich schnell und unkompliziert zusammenlegen und in dieser Form gut verladen. Senkrecht gestellt beanspruchte er nicht mehr Platz als ein großer Koffer und fuhr ohne Fahrradkarte mit.

Sogar die dank einer kleinen Verspätung extrem geringe Umsteigezeit in Göschwitz (war sie schon negativ?) bewältigten wir. Zwar waren wir darauf eingestellt, notfalls eine Stunde zu warten, weil es eben doch eine Weile dauert, bis die Räder samt Hänger treppauf und -ab getragen sind, doch man wartete auf uns, und hilfreiche Hände halfen.

Die Frau, die arglos ihre Hilfe anbot, staunte nicht schlecht, als ihr Hildegard den Ludwig in die Arme drückte: "Halten Sie mal das Kind!" Im Abteil wurde sie dann neidvoll gefragt, warum sie das süße Baby nicht gleich mitgebracht hätte, und so löste sich ihre Überraschung in allgemeiner Heiterkeit.

Der Zug nach Rudolstadt transportierte deutlich mehr Räder als von der Bahn geplant. Ich beruhigte die Reisenden in den angrenzenden Abteilen, daß wir die mit unseren Taschen zugebauten Türen wieder freiräumen und die Räder bei Bedarf hin- und herräumen würden, so daß alle wie gewünscht aussteigen konnten.

In Rudolstadt holten uns Freunde ab, wir bauten den Anhänger und etwas später auf dem Sportplatz das Zelt auf. Ludwig genoß das Abenteuer, wir den Abschied vom Alltag. Der Abend war dann schon der Musik gewidmet.

TFF

Sonnabend, 7. Juli 2001

Seltene Instrumente
Seltene Instrumente,
Straßenmusikanten, ganz ohne große Bühne
fröhliche Musikanten,
Hinfahrt, Rückfahrt, Sonnen- nein, Regenschirm
und originelle Ideen trotzen dem Regen.
© Hildegard Geisler
Hier das TFF beschreiben zu wollen, ist nahezu aussichtslos. Wer einmal da war, kennt die Stimmung, das Publikum, die Musik. Wer es nicht kennt, wird es durch diese Zeilen trotz allem nicht erfassen.

Außergewöhnlich war in diesem Jahr nicht der sich gegen Nachmittag ankündigende Regen - das kannten wir aus den letzten Jahren schon. Doch daß von den Bühnen auf eine Sturmwarnung für Thüringen aufmerksam gemacht wurde, verunsicherte uns. Wir zogen auf den Zeltplatz, um noch ein paar Heringe an die passenden Stellen des Zeltes zu setzen.

Ein Waldarbeiter und TFF-Fan machte uns darauf aufmerksam, daß wir im Bereich einiger Pappeln standen und ein Sturm bis Windstärke 11 kommen könnte. Pappeln halten diesen Wind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus. Zudem hatte ich in der dichtgedrängen Menge von Zelten Sorgen, daß es einzelne Planen durch die Luft wirbeln könne und in dem Gewirr von Schnüren, Heringen und Zeltstangen gefährliches Chaos ausbricht. Wir setzten daher an eine freie Stelle in gehöriger Entfernung zu den Pappeln um. Das ging mit unserem Zelt sehr schnell und gab uns Ruhe.

Glücklicherweise zog der Sturm an Rudolstadt vorbei, kein Zelt wurde emporgewirbelt, keine Pappel geknickt. Andernorts sah es in Thüringen durchaus anders aus, wie die Zeitungen berichteten, so daß wir unsere Vorsichtsmaßnahmen nicht bereuten.

Immer noch TFF

Sonntag, 8. Juli 2001

Das Fest wie immer, also bestens, und doch wieder völlig neu. Wir kosteten es bis zum letzten Lied aus. Ludwig im Tragetuch, auf meinen Schultern oder auch mal krabbelnd. Ein paar kurze Schauer beeinträchtigten die Freude nicht.

Auf nach Norden

Montag, 9. Juli 2001

Der nächtliche Regen störte uns nicht, aber als es am Morgen nicht ernsthaft aufhören wollte, gefiel uns das schon weniger. Es gab nur eine vernünftige Verbindung nach Stralsund, die uns zudem in Naumburg angemessene Umsteigezeit garantierte, und die wollten wir nicht verpassen.

Also verstauten wir das nasse Zelt, packten Ludwig in den trockenen Anhänger und fuhren an den Aufräumkolonnen vorbei in die Stadt, um beim Bäcker im Trockenen zu frühstücken. Ein anderes Pärchen mit Liegerad auf dem Weg nach Süden blickte gleichfalls leicht besorgt in den Himmel.

Auf dem Bahnhof füllte sich der Bahnsteig mit einer Unzahl Fahrräder, die wohl bei besserem Wetter alle noch ein Stück an der Saale entlang gerollt wären. Glücklicherweise kam eine Doppelstockeinheit, und in unglaublich kurzer Zeit waren Räder und Reisende im Zug verschwunden. Sie sind schon genial konstruiert, diese Dinger!

In Naumburg warteten wir auf den Interregio. Glücklicherweise gibt es noch ein paar davon und glücklicherweise hatten wir auch reserviert. So reisten wir planmäßig und komfortabel nach Norden. Als wir ab Berlin unser Abteil für uns allein hatten, beschloß Hildegard, das Zelt auszupacken und am Garderobenhaken zum Trocknen aufzuhängen.

Unser Zelt begrüßte die unerwartete Möglichkeit, Wasser zu lassen und füllte unser Abteil binnen weniger Minuten mit einem kleinen See. Die Zugbegleiterin warf mehrfach mißbilligende Blicke durch die Scheiben, aber jetzt konnten wir auch nichts mehr ändern. Wir vermieden es, in die Pfütze zu treten und Fußtapsen zu hinterlassen. Draußen peitschten inzwischen Regenschauer gegen die Fensterscheiben und ließen uns frösteln. Bis Stralsund waren Fußboden und Zelt halbwegs getrocknet und wir konnten unsere Plätze in ansehnlichem Zustand hinterlassen. Erfreulicherweise war auch die Landschaft getrocknet und die restlichen Wolken behielten ihr Wasser für sich.

Über sagenhaft holprige und schmale Radwege wird man in Stralsund geschickt - wir fuhren mit dem Anhänger dann besser auf der Fahrbahn. Auf dem Rügendamm herrschte starker Seitenwind, doch dem Ritschie konnte er nichts anhaben. Unangenehmer war dann schon der Sandweg nach Altefähr, aber richtig eklig war erst das Kopfsteinpflaster. Ich kann ja noch aus dem Sattel gehen, aber Ludwig im Anhänger mußte sich erst an das Geholper gewöhnen. Zum Glück fuhren wir nur ein kurzes Stück auf dieser Straße, dann erreichten wir den Zeltplatz, wurden gastfreundlich empfangen und auf die Trekkerwiese geschickt.

Dort standen schon Zelte von vier anderen Radwanderpärchen und ein paar Motorradfahrern. Wir stellten unseres dazu - gleich neben den Spielplatz, der sich nach Hildegards Erinnerung in den letzten 25 Jahren nicht verändert hat.

Hildegard hatte vor einem Vierteljahrhundert als Kind mit ihrer Familie auf eben diesem Platz zwei Wochen Urlaub verbracht - im Dauerregen. Die Joggingeinlage um 4:00 Uhr morgens durch den Park ist ihr noch in lebhafter Erinnerung. Die Zelte waren naß geworden, irgendwann zog die Nässe auch in Kleidung und Schlafsäcke, und um die Kinder wieder aufzuwärmen, hatte ihr Vater diese praktische und einprägsame Methode gewählt.

Stralsund und Altefähr

Dienstag, 10. Juli 2001

Nachts hatte es geregnet, die Wiese begrüßte uns morgens mit strahlender Nässe. Wir packten Ludwig in die wasserdichte Regenhose und Gamaschen. Er krabbelte freudestahlend aus dem Zelt und hatte binnen weniger Minuten sein T-Shirt in ein ziemlich dreckiges Stück Stoff verwandelt. Bis zu diesem Moment waren wir nicht sicher gewesen, ob eine Regenjacke wirklich so wichtig ist. Die Meinungen in der Bekanntschaft waren widersprüchlich. Jetzt hatten wir eine eigene Meinung - eine feste.

Nach Frühstück und T-Shirt-Wechsel wanderten wir an der Küste nach Norden und durch das Land zurück - ein schöner Spaziergang zum Beginn des Urlaubs. Unseren Anhänger hatten wir mit dem dritten Rad zum Jogger-Wagen umgebaut und Ludwig fuhr darin mit uns umher.

Nachmittags wurde das Gefährt wieder zum Anhänger und begleitete uns nach Stralsund. Fischkauf im Hafen (der wiederum für mich einige Erinnerungen wachrief, doch das ist eine andere Geschichte), dann Stadtbummel mit Einkäufen: Lebensmittel, Sandalen für Hildegard und natürlich eine Regenjacke für Ludwig. Auf der Heimfahrt tankten wir noch. Dank Benzinkocher können wir praktisch überall auf der Welt nachtanken, müssen eben nur das Gesicht der Tankwarte überstehen, wenn wir per Rad vorfahren und einen knappen Liter bezahlen, den wir mühevoll aus der Säule gezapft haben.

Abends saßen wir dann mit unseren Nachbarn und einer Flasche Wein am Zelt und tauschten Tips: "Niemals in Schaprode zelten, die sind total unfreundlich! Bei Prora gibt es einen netten Platz. Das dort ist ein übler Sandweg, da stimmt die Karte nicht. ..."

Die Südroute

Mittwoch, 11. Juli 2001

Sandweg, Plattenweg, Pflasterweg ...
© Hildegard Geisler
Nicht immer einfach: Rügens Radwege
Mit Ludwig dauert der Aufbruch morgens deutlich länger. Selbst wenn er sich auf dem Spielplatz vergnügt, muß man doch immer mal hinschauen oder -laufen, um ihm die Idee, den Mülltonnen einen Besuch abzustatten, auszureden. Die Regenjacke bewährte sich prächtig - Sand, Schlamm und nasses Gras sind im Nu abgewischt, das T-Shirt darunter blieb sauber und trocken.

Wir folgten über weite Strecken der Rügenrundtour. Auf den kleinen Straßen fuhr es sich herrlich. Wo eine aufgegebene Trasse der Schmalspurbahn genutzt wurde (der "Rasende Roland" fährt auf dem noch intakten Rest), kamen wir ebenfalls gut und komfortabel vorwärts. Etwas übler waren dagegen die Betonplattenwege, insbesondere, wenn die Fugen groß waren oder sogar Stufen zwischen den Platten bestanden. Der Anhänger ist zu breit, um auf den Platten zu fahren (an ganz wenigen Stellen waren breitere Platten verlegt worden, aber auch dann ist es nicht leicht, die Fahrlinie auf 10 cm einzuhalten). Je nachdem, ob links oder rechts die größeren Schlaglöcher waren, mußte man also das linke oder rechte Rad über die Wiese hoppeln lassen und selbst hart an der Betonplattenkante fahren. Hatten die Platten dann noch die gemeinen Löcher und Ösen, wurde die Fahrt zum Geschicklichkeitsspiel.

Da ich mich sehr konzentrieren mußte, konnte ich mich kaum umschauen. Ich peilte also über den Lenker, wo voraussichtlich die Anhängerräder fahren würden, und mitunter signalierte mir das Aufseufzen der Federung von hinten, daß ich mich um ein paar Zentimeter verschätzt hatte.

Ernst-Moritz-Arndt-Geburtshaus
© Hildegard Geisler
Ernst-Moritz-Arndt-Geburtshaus in Groß Schonitz
Noch abenteuerlicher war es auf den gefürchteten Sandwegen, wenn das schlingernde Rad nur bedingt eine genaue Wahl des Fahrtweges zuließ. Ein paar Löchern auszuweichen, ist ja normalerweise keine Kunst, doch wenn man für drei Spuren denken muß, wird es das. Zu vollkommenen Künstlern wurden wir bis zum Ende des Urlaubs nicht ...

Wir lernten die Rügenkarte zu schätzen, die uns auch Aufschluß über die zu erwartende Wegequalität gab und wählten an den Folgetagen auch andere Routen, wenn uns die nicht ausgemalten Pünktchen auf der Karte vor Katastrophen-Wegen warnten. Dieser Tag jedoch war für uns Lerntag: Am Abend wußten wir, was die Kartenmacher unter "mäßiger" oder "schlechter" Oberfläche verstanden. Mit Anhänger unterschied sich ja unsere Interpretation ein wenig von den Einspur-Radlern.

Ludwig nahm die Sache erfreulich gelassen. Allerdings wollte er nicht beliebig lange im Anhänger sitzen, und wenn ein holpriger Plattenweg die Geschwindigkeit auf unter 10 km/h drückte, stieg die Reisezeit entsprechend. Eine Weile schlief er, und eine knappe Stunde schaut er auch auf die vorbeiziehende Welt, aber dann wollte er heraus. Wir machten dann auch sehr bald Pause, ließen ihn herumkrabbeln, aßen und tranken etwas. Danach war es ihm meist ganz recht, wieder ein Nickerchen zu machen.

Ludwig an seinem Wagen
© Hildegard Geisler
Das ist mein Wagen!
Die kleine Personenfähre bei Moritzdorf nimmt auch Räder mit. Auch Anhänger? Der Fährmann war optimistisch, und wir verluden Ludwig samt Hänger in das kleine schaukelnde Boot. Mit kräftig zupackender Hilfe eines weiteren Fahrgastes kamen wir auch wieder gut auf den Steg auf der anderen Seite. Bis Baabe war es nur noch ein Katzensprung - zum Glück. Ludwig hatte genug von der Fahrt im Hänger, und wir waren uns einig, daß künftige Touren kürzer sein sollten, um ihm nicht die Freude zu verderben. Mehr als fünf Stunden sollten es nicht pro Tag sein.

Ich freute mich, daß uns in Baabe der "Rasende Roland" begrüßte. Wir fuhren dann weiter zum Zeltplatz, der sich seit der Wende kaum verändert hat. Neu waren zwei Duschcontainer, in denen man gegen den Einwurf einer Duschmünze auch aus dem zweiten Wasserhahn Wasser entnehmen konnte. Daß es warm war, wurde jedoch nicht garantiert. Außerdem gab es kaum noch Schlangen vor Gaststätte und Kiosken, doch die Öffnungszeiten (7-11 und 15-18 Uhr) des Kioskes, die rustikalen offenen Waschanlagen (nunmehr Edelstahl, kein Steingut mehr) waren vertraut.

Wir bauten unser Zelt neben einer etwas merkwürdigen Konstruktion auf, in der fünf junge Leute hausten. Eigentlich reisten sie mit zwei Zelten, erfuhren wir später, aber als sie das zweite aufbauen wollten, war es verschimmelt. In Baabe gab es keine Zelte. So hatten sie mit einer Strandmuschel, dem noch nutzbaren Außenzelt, einigen blauen Müllsäcken und vielen Wäscheklammern eine Unterkunft an das erste Zelt angebaut, die allen einen Schlafplatz bot und den Regen souverän abhielt. Erfinderische Leute sind mir sympathisch - und der Eindruck trog nicht.

Rasender Roland

Donnerstag, 12. Juli 2001

Umsetzen und Wassertanken in Göhren
© Hildegard Geisler
Wassertanken in Göhren
Was machen wir heute? Wir erwogen und verwarfen verschiedene Ideen und entschieden uns für den "Rasenden Roland". Es war fast Mittag, bis wir gefrühstückt, den Zeltplatz bezahlt, eingekauft und einige andere Kleinigkeiten erledigt hatten. Der Fahrplan paßte sowieso nicht so ideal auf unseren Tagesablauf, wir konnten uns das Gebummel leisten. "Uns lütt Bahn" brachte uns zum Ortskern, und wir fuhren zunächst nach Göhren, wo wir dem Umsetzen und Wassertanken zusahen.

Die Reise nach Putbus auf der letzten Plattform mit herrlicher Streckensicht durch die reizvolle Landschaft war ein purer Genuß und ihr Geld absolut wert. Das letzte Stück nach Lauterbach Mole sparten wir uns, obwohl die Bahn dort über ein neu verlegtes Dreischienengleis fährt. Doch in Lauterbach waren wir gestern schon gewesen, und in Putbus wollten wir uns den von klassizistischen Häusern umgebenen "Circus" - einen kreisrunden Platz - ansehen.

Auf der Rückfahrt regnete es, und der Zug war so gut gefüllt, daß Ludwig in der drangvollen Enge unruhig wurde. Erst ab Binz wurde es leerer, aber da waren wir ja auch schon fast zu Hause. Der Regen hörte ebenfalls auf, und so zogen wir am Abend noch an den Strand und zeigten Ludwig das Meer. Sand und Wasser! Unser Kleiner war begeistert.

Jagdschloß Granitz, Binz und Prora

Freitag, 13. Juli 2001

Heute sollte es weitergehen, denn für Sonnabend hatten wir den Treff mit unserer Freundin Arieke in Saßnitz geplant. Also verschwanden die diversen Ausrüstungsteile in den Taschen, und nach einem herzlichen Abschied von unseren Nachbarn zogen wir weiter nach Norden. Über sandige Fahrradwege (brrr) und einen heftigen, aber kurzen Anstieg gelangten wir zum Jagdschloß Granitz. Ludwig faszinierten die kleinen Bahnen, die im Zehn-Minuten-Takt Touristen aus Binz zum Schloß brachten. Wir wollten uns aber letzteres ansehen und erklommen die letzten Meter zu Fuß.

Toll restauriert stand es vor uns in der Sonne, ein prächtiger Anblick. In der Jagdausstellung zeigten wir Ludwig Hirsche, Rehe, Wildschweine, Hasen und viele andere Tiere, doch ich hatte den Eindruck, daß er nur höfliches Interesse zeigte, sich aber nichts weiter merkte.

Dann die Hauptattraktion: Der Turm. Über zweihundert Stufen, an der Innenwand des runden Turmes befestigt ohne weitere Stütze, schmiedeeisern und durchsichtig. Tafeln wiesen darauf hin, daß man sich vorsichtig und am besten gar nicht begegnen solle, den Anweisungen der Aufsicht Folge zu leisten habe und aufpassen müsse. Zwischen den Zeilen klang das alles sehr wackelig.

Hildegard nahm den Ludwig, der sich erstaunlich ruhig verhielt - offenbar war ihm die Sache auch nicht geheuer - und ich stakte mit den Taschen hinterher. Toll sind sie schon, die Stufen mit ihren Ornamenten, aber hinter den Ornamenten sieht man die Tiefe, und dies ist eine höchst ungewöhnliche Perspektive.

Panoramablick vom Jagdschloß Granitz
© Hildegard Geisler
Wunderbarer Rundblick vom Jagdschloß Granitz
Oben jedenfalls belohnte uns ein wunderbarer Ausblick, die Wolken gaben auch noch die Sonne frei und die vom gestrigen Regen gewaschenen Wälder präsentierten sich in leuchtendem Grün um die blauen Flächen der See und die weißen Ferienheime von Binz und Sellin.

Schließlich hatten wir genug gesehen, verließen Turm und Schloß und kehrten am Fuße des Hügels in einem Fischimbiß ein, was Ludwig noch zur Besichtigung einiger weiterer Touristenbahnen nutzte.

Weiter ging es nach Norden. Binz als mondänen Badeort durchradelten wir ohne Aufenthalt, registrierten nur am Rande die recht gelungene Modernisierung der DDR-Plattenbauten. Man hatte ein oder zwei Etagen entfernt und hölzerne weiße Balkonkonstruktionen davorgesetzt, so daß sie sich nun gut in die Ferienlandschaft des Seebades einfügen.

Prora folgt als nächster Ort, und das gigantische 4-km-Haus beeindruckt! Erst aus der Nähe bekommt man einen Eindruck der Größe. Schon aus wenigen Metern Entfernung verdecken Kiefernwälder die sechs Etagen.

Das Museum sparten wir uns für den nächsten Besuch auf, wir nutzten die Gelegenheit zu zwei Bädern: Einem in der Ostsee und einem in der Sonne. Der wunderbare Sandstrand war zu DDR-Zeiten für kaum einen Menschen zugänglich. Jetzt genossen wir den heißen Sand. Ludwig krabbelte hocherfreut in und aus dem Wasser, zum Glück nur so weit, wie er es beherrschte. Wir mußten ihn nicht ständig aus den Wellen holen, sondern nur aufpassen, daß nicht mal eine unvorhergesehen große kommt.

Ich erinnerte mich an alte Fähigkeiten, baute Tröpfelburgen und Sandkuchen, schüttete Wälle auf, baute kleine Hafenbecken und grub Gräben. Ludwig genoß es, Kuchen, Türme und Wälle zu zerstören, betrachtete mißtrauisch die Löcher und versuchte schließlich, selbst zu graben - mit mäßigem Erfolg.

Weiter zogen wir am endlosen KdF-Heim entlang, nun an den nicht genutzten, teils zerstörten Teilen. Die Rote Armee hatte nach dem Krieg vergeblich versucht, den nationalsozialistischen Betonklotz zu sprengen. Beklemmender Anblick leerer Fenster, aufgerissener Treppenhäuser, eingestürzter Dächer. Doch auch der noch intakte Teil hat nur wenige Mieter. 20000 Menschen sollten in diesem Heim nach Hitlers Ideen Urlaub machen können - und machten es doch nie. Aussichtsturm, Wellenbad, Festhalle wurden nie gebaut. Der Krieg kam schneller als die ersten Urlauber. Die wechselvolle Geschichte des Gebäudes vom Grand Prix auf der Weltaustellung 1937 über die Nutzung durch die NVA bis zur heutigen Wartestellung auf neue Mieter ist einen eigenen Bericht wert.

Schließlich fuhren wir weiter, folgten einer kleinen Straße südlich des Bahnhofs Mukran und kamen nach Lietzow, wo wir nach kurzer Suche den Zeltplatz auf einem Berg als Teil eines Motels fanden. Freundlicher Empfang, gute Anlagen - und vor dem Haus wurde gerade ein Grill aufgebaut.

Der kleine Familienbetrieb erwartete gerade eine Reisegruppe, alle Kräfte waren gebunden, so schlug man uns vor, pauschal für 15 DM so viel wie wir wollen vom Grill mitzuessen anstatt nach Karte zu kochen. Das ist für zwei ausgehungerte Radfahrer ein höchst attraktives Angebot!

Wir stürzten uns freudig auf schmackhafte Salate, zart gegrillten Fisch, selbst gemachte Bratkartoffeln und eine ausgezeichnete Pute. Die Reisegesellschaft erfreute sich an Ludwigs Appetit, dem es besonders die Bratkartoffeln angetan hatten. Als alle satt waren, setzte eine Regenwolke einen definitiven Schlußpunkt und wir kehrten zu den Zelten zurück.

Vielleicht der schönste Sonnenuntergang auf unserer Tour
© Hildegard Geisler
Sonnenuntergang in Lietzow
Dort kämpfte inzwischen eine neu angekommene Gruppe mit großen Autos und kleinen Zelten. Sie mußten den Platzwart holen, der ihnen bewies, daß durchaus noch genug Raum für ihre Zelte da ist, und notfalls könnte man ja auch die Autos auf den Parkplatz stellen.

Als Hildegard vom Waschraum kam, fragte ich sie, ob sie die Rebekka gesehen hätte. "Wer ist Rebekka?" fragte Hildegard. Minuten später wußte sie es.

Das weitere Geschehen genossen wir im Zelt - ein Hörspiel gratis. Gut, im Radio hätte es vielleicht übertrieben gewirkt, aber als Rebekka zum dritten Mal schrill protestierte "Hier hängt es aber immer noch durch!" und kurz darauf die Frage ertönte, wieso dort noch eine Stange herumliege, prusteten wir los. "Die Leute lachen schon über uns", bemerkte jemand an meinem linken Ohr. Wie recht er doch hatte. "Das ist mir egal!" schrillte es zurück, gefolgt von der Frage, ob denn keine Gebrauchsanweisung dabei gewesen sei.

Irgendwann schliefen wir über den Diskussionen über Zeltpreise (Waren es nun 49.90 DM oder 59.90 DM? Hätte man es nicht noch billiger bekommen können?), hängende Zeltplanen (So geht es, aber ein bißchen hängt es immer noch!), vermißte Heringe (Da muß noch irgendwo ein Beutel liegen!) und Raumaufteilung (Das ist viel zu eng hier!) ein.

Fährfahrt nach Rønne

Sonnabend, 14. Juli 2001

Am Morgen weckte uns Rebekka mit dem Plan, in ihrem Zelt einen Propangaskocher zu zünden. Ihre Freunde verhinderten das, sicherlich zur Erleichterung aller umliegenden Camper.

Es hatte nachts ein wenig geregnet, und wir nutzten den Moment, als das Zelt trocken war, zum packen. Zwei kleine Nieselschauer störten uns dann schon nicht mehr. Über Sagard kamen wir nach Saßnitz, wo Arieke pünktlich mit dem vereinbarten Zug aus Holland über Berlin und Stralsund eintraf.

Eine extra Spur für die motorisierten Radfahrer
© Hildegard Geisler
Auf Bornholm wollen alle mit dem Rad fahren -
Schlange an der Fähre
Statt der üblichen Fähre sollte heute eine Schnellfähre verkehren, denn die "Rügen", die sonst nach Rønne fährt, mußte für ein wegen eines Brandes ausgefallenes Schiff einspringen. Für uns brachte diese Änderung zwei Stunden zusätzlicher Zeit ein, statt 15:00 Uhr ging es erst 17:00 Uhr los. Wir fuhren zu den Feuersteinfeldern nördlich von Prora. Ludwig begeisterte sich an den vielen wunderbaren Steinen und wir picknickten in höchst reizvoller Umgebung.

Nach kurzer Fährfahrt waren wir in Dänemark, versorgten uns in Rønne mit dänischen Kronen und fuhren ein paar Kilometer nach Norden, um unsere Zelte in Hasle aufzuschlagen. Den Platz hatten wir bereits 1998 kennen und schätzen gelernt. Zwei Hüpfkissen wurden von einer Meute fröhlicher Kinder strapaziert, ein Mädchen raste auf den platzeigenen Tretautos die Wege entlang, und für Ludwig war ein Sandkasten da. Allerdings nutzte er ihn vor allem, um von dort aus den anderen Kindern zuzuschauen.

Als die Zelte standen, aßen wir Abendbrot. Arieke und ich prüften die drei dänischen Biersorten des Zeltplatzkioskes (der nicht nur bis 18:00 Uhr geöffnet hatte). Kurz nach Sonnenuntergang gingen wir ins Bett.

Rund um Hasle

Sonntag, 15. Juli 2001

Es kamen viele Wellen, aber das war die schönste! :-)
© Ralph Sontag
Am Strand von Hasle bestaunen wir die spritzende Gischt
So ein Anhänger ist sehr vielseitig verwendbar.
© Hildegard Geisler
und hoffen, daß inzwischen unsere Wäsche trocknet.
Der ruhige Tag begann mit einer Strandwanderung. Das Meer gischtete um Felsen, die Küste wechselte zwischen Sand- und Geröllstrand. Wir liefen nach Süden bis zur alten Klinkerfabrik, in der früher "Hasle-Klinker" gebrannt wurde. Gegenüber unserem letzten Besuch vor drei Jahren hatte sich ein Gebäudeteil ein wenig belebt, offenbar wurde wieder gebrannt, wenn auch in sehr bescheidenen Mengen. Wir freuten uns über dieses Fünkchen Leben, hatte die Fabrik doch einst Hildegards Urgroßvater gehört.

Ludwig wanderte auf unseren Schultern oder im Tragetuch mit, streifte Blätter von den Zweigen, ließ sich Stöckchen zureichen und genoß die pausenlose Abwechslung aus tiefster Seele.

Der Rückweg über die ehemalige Kleinbahntrasse nach Hasle führte uns zu den Räuchereien, wo volksfestartige Stimmung herrschte. Eine Jazzkapelle spielte, Urlauber schleppten pausenlos Fisch aus den weißen Gebäuden, Kinder tollten umher und alles wurde von warmem Sonnenschein überstrahlt.

Leider waren die "Bornholmer" längst ausverkauft, wir aßen Lachs und Garnelen. Ludwig scherte es überhaupt nicht, daß Kindern unter einem Jahr wegen der Gefahr, Gräten zu verschlucken, eigentlich kein Fisch gegeben werden soll. Nun ja, wir wählten die Stücke mit peinlicher Sorgfalt aus - und Ludwig war begeistert.

In eine der alten Räuchereien hat ein kleines Heimatmuseum Einzug gehalten, in dem eine Nische extra der Klinkerfabrik und ihrer wechselvollen Geschichte gewidmet wurde. Andere Tafeln informierten über den Kohleabbau, den Hafen, die Fischerei und die Bewohner Hasles.

Abends erlebten wir am Hafen einen faszinierenden Sonnenuntergang. Der riesige rote Ball versank direkt im Meer, unter flammenden Wolkenformationen. So schön es aussah - solche Sonnenuntergänge sollte man sich im Urlaub nicht wünschen. Es folgte:

Ein Regentag

Montag, 16. Juli 2001

Nachts begann das Klopfen am Zelt, und am Morgen warteten wir lange, bis das leiser werdende Geräusch eine Pause signalisierte. Ludwig hatte allmählich gelernt, daß man auch um 6:30 Uhr noch einmal einschlafen kann und weckte uns in den folgenden Tagen erst kurz vor acht Uhr endgültig.

Optimistisch starteten wir zu einer kleinen Runde zur Wehrkirche Olsker. Die dicken Wände des runden Kirchenschiffs verbargen eine schmale, niedrige Treppe, über die sich die Einwohner bei Gefahr in die oberen Stockwerke flüchten konnten. Vorsichtig quetschten auch wir uns durch den schmalen Gang und besichtigten die schwach durch kleine Scharten erleuchteten Stockwerke.

Wir standen unter dem Dach: Wer geht jetzt raus und holt Ludwig?
© Arieke de Kovel
Naß glänzen Asphalt und Rad, doch Ludwig genießt den Tag trocken und warm.
Auf der Heimfahrt setzte der Nieselregen wieder ein und verstärkte sich schnell. Unsere Capes schützten uns ein wenig, doch eigentlich waren jetzt auch Gamaschen und Regenhosen nötig. Nirgends ein Buswartehäuschen, keine Toreinfahrt, kein Geschäft. Die wunderbaren kleinen Straßen zwischen den Siedlungen und Gehöften lagen in grauem Regen, und wir fuhren zunehmend durchnäßt weiter.

Aus dem Anhänger hörten wir weder Protest noch andere Geräusche, also schien Ludwig keine Probleme mit dem Wetter zu haben. Mir fegte der Wind immer wieder die Kapuze vom Kopf, kleine Seen bildeten sich auf dem Cape und entleerten sich ungünstigstenfalls in meine Schuhe. Reizvoll sah die Landschaft aus, aber ich hatte keinen rechten Sinn dafür.

Endlich rollten wir auf dem Campingplatz ein und schauten besorgt in den Hänger, aus dem uns Ludwig voller Freude anstrahlte. Gut geschützt war es ihm weder zu kalt noch hatte er Wasser abbekommen. Er fand es einfach nur toll.

Ich flüchtete mit ihm in den Aufenthaltsraum des Platzes, in dem neben den Eßtischen sogar Kinderstühlchen bereitstanden. Oben gab es einen ausgebauten Dachboden mit Spielzeug, einer kleinen Bibliothek und ein paar Stühlen, wo sich Ludwig trotz des Regens austoben konnte.

Hildegard und Arieke fuhren noch einmal los: Einkaufen. Zunächst ein paar geräucherte Heringe bei den Räuchereien, anschließend die üblichen Artikel im Supermarkt. Die folgenden Stunden verbrachten wir essend, mit Ludwig spielend, Karten schreibend oder lesend mit einigen anderen Familien im Aufenthaltsraum und freuten uns, daß Hasle ein so komfortabler Campingplatz war.

Ludwigs bestes Spielzeug
© Hildegard Geisler
Keine Rubine - doch trotzdem schön.
Steine am Strand von Hasle.
Neben dem Kinderspielboden war es insbesondere das Familienbad, was uns imponierte: Ausgestattet mit Dusche, WC, einer Bank und großen Waschbecken ermöglichte es Eltern mehrerer Kinder, die Kleinen der Reihe nach auszuziehen und abzuduschen. Bei den üblichen Münzduschen führt so ein Unterfangen regelmäßig zu frustrierendem Chaos. Außerdem wartete ein Kinderwickelraum mit Babybad, Kinderbadewanne und sogar einem kleinen WC für Kinder auf uns. Camping mit Kind wurde dadurch wirklich einfach. Auf Rügen war die Bezeichnung "kinderfreundlich" oft nicht mehr als ein Etikett.

Nach mehreren Ansätzen, den Regen zu beenden, hielten die Wolken gegen Abend endlich wirklich ein. Die ersten Kinder tobten über die Hüpfkissen, die Urlauber verlegten das Leben vor die triefenden Zelte.

Wir brachen zu einem Spaziergang durch die tropfenden Wälder zum Rubinsø auf, einem der nach Edelsteinen benannten Gewässer in dem Wald zwischen Rønne und Hasle.

Wir schauten nochmals am Hafen vorbei, sahen die Sonne glutrot hinter den Räuchereien untergehen, doch zu unserer Befriedigung etwas anders als gestern. Irgendwie würde sich das Wetter morgen also doch anders gestalten.

Nach Gudhjem

Dienstag, 17. Juli 2001

Wir zogen weiter. Ludwig testete noch einmal das Hüpfkissen und konnte sich schon deutlich sicherer oben halten als beim ersten Versuch. Wenn zu viele fremde Kinder dazukamen und lostobten, nahmen wir ihn aber herunter - dem war er dann doch noch nicht gewachsen.

Tolle Wolken, herrliche Farben, faszinierende Pflanzen ...
© Hildegard Geisler
Landschaft links und rechts des Weges
Wir folgten einer alten Eisenbahntrasse wunderschön durch Wald und eine Schlucht - natürlich einer Schlucht gemäß den Dimensionen der Insel, also klein.

An der Küste wies uns das in Skandinavien übliche verschlungene Symbol auf eine Sehenswürdigkeit hin. Wir folgten dem Angebot - und stellten fest, daß es viele andere Menschen auch taten. Die Helligdomsklippen zogen die Besucher an. Die steilen Klippen boten einen erhabenen Blick auf die anrollenden Wellen, und dank einer Treppe konnte man die Höhe auch in den eigenen Beinen erfahren.

Bald darauf waren wir in Gudhjem, und wir wählten den Campingplatz in der Stadt als nächstes Domizil. An der Rezeption trafen sich gleich drei Kinderanhänger, und der auf einer Wiese am Hang gelegene Platz wies eine erfreulich große Menge kleiner Zelte auf. Für große Hauszelte mit Wohnwagen gab es nur wenig Platz.

Wir wählten eine Stelle, bei der wir einen direkten Blick auf's Meer hatten. Unsere Räder lehnten an einem niedrigen Zaun, der die Reste steinzeitlicher Grabhügel begrenzte.

Ein Pfad über die Klippen führte uns zurück zum Hafen und dem Zentrum der Stadt, in dem sich noch überraschend viele Touristen tummelten. Wir fanden die Räucherei, die sich am charakteristisch geformten, weißen Schornstein leicht erkennen läßt. Für 75 Kronen konnte man sich am Buffet nach Belieben laben - ein attraktives Angebot! Drei Sorten Sild zur Eröffnung, Bornholmer und Makrele, Garnelen, Salate, Rote Bete füllten unsere Teller mehrfach. Irgendwann waren sowohl Hunger als auch Appetit gestillt, und wir spazierten mit wohlgefüllten Mägen durch die Gassen des Städtchens.

Viele kleine Geschäfte versuchten, die Kauflust der Touristen anzustacheln. Satt und zufrieden hatten wir mehr Sinn für die malerischen Häuser, die Durchblicke auf Hafen und das offene Meer und die Möven, die sich auf einigen Dächern neckten.

Abends las ich im Schein der untergehenden Sonne und schaute von Zeit zu Zeit auf das sich verdunkelnde Wasser und die zarten Wolken. Der Leuchtturm auf der winzigen, aber bewohnten Insel Christiansø schickte aller paar Sekunden einen Lichtstrahl herüber, gedämpft drangen Klappern und Stimmen aus den Nachbarzelten herüber. Ludwig hatte inzwischen gelernt, daß nun das Zelt sein Zuhause war und schlief tief und fest. Als das Licht zum Lesen nicht mehr reichte, zog ich den Reißverschluß zu und schlief auch bald ein.

Mittelalterfest

Mittwoch, 18. Juli 2001

Überall auf der Insel wiesen Plakate auf das Mittelalterfest bei Østermarie hin. Heute wollten wir wissen, was sich dahinter verbirgt. Schließlich waren wir nur rund 6 Kilometer von dem Platz entfernt, und der nächtliche Regen hatte inzwischen aufgehört.

Zunächst fuhren wir auf der gut ausgeschilderten Radroute zur Rundkirche. Hier drängten sich viel mehr Besucher als in Olsker in dem kleinen Schiff. Die schmale Treppe in die oberen Etagen war belagert wie bei einem Angriff, nur einigten sich die Menschen friedlich, ob hinauf- oder hinabgestiegen wird.

Zwei Akteure, in ihrer Rolle lebend.
© Arieke de Kovel
Das Mittelalterzentrum liegt nur wenige Hundert Meter entfernt, wir kannten es schon von einem Besuch 1998. Damals waren wir fast allein auf dem Areal, denn ein häßlicher Nieselregen machte die Härten mittelalterlichen Lebens sehr anschaulich. Diesmal war bereits bei der Anfahrt zu sehen, daß sich ein anderes Bild geben würde, denn mehrere Wachleute versuchten, den Strom der anrollenden PKW zu bändigen. Wir wurden wegen des Anhängers auf einen separaten Platz gewiesen.

Daß auf Bornholm Anhänger sehr verbreitet sind, fiel uns täglich auf. Offenbar leihen sich Rucksack- oder Autotouristen gern Fahrräder nebst Gepäckanhänger für eine Tour über die Insel aus und können dann auch ohne spezielle Fahrradpacktaschen ihre Utensilien ohne Probleme mitnehmen.

Hier gaben sich jedoch die Kinderanhänger ein Stelldichein. Sieben verschiedene Typen standen auf engem Raum beeinander. Wir konnten Vor- und Nachteile vergleichen, fanden intelligente und weniger gelungene Konstruktionen und waren letztendlich mit unserem eigenen Modell doch sehr zufrieden.

Die Schlange am Eingang war schnell abgearbeitet, dann waren wir ein paar Hundert Jahre zurück. Eine Vielzahl von Mitarbeitern oder besser -spielern in mittelalterlicher Kleidung ging zwischen den niedrigen Häusern des Dorfes ihren Tätigkeiten nach. Wer sich die Besucher wegdachte und ein Quentchen Phantasie dazutat, konnte sich leicht in das Leben unserer Vorfahren hineinversetzen.

Offene Türen luden zum Besuch ein. Offene Feuer verbreiteten teils beizenden Rauch, Gerätschaften standen und lagen herum, in einer Ecke deuteten Felle an, daß hier wohl geschlafen wurde. Weil die Häuser für dieses Freilichtmuseum neu aufgebaut wurden, gab es sowohl alte, aus anderen Orten herbeigeschaffte Werkzeuge, aber auch neue, in alter Manier hergestellte Utensilien. Das schien mir authentischer als in "richtigen" Museen mit originalen Exponaten, denn die Häuser und Möbel der Menschen im Mittelalter waren ja seinerzeit keineswegs mehrere Hundert Jahre alt.

Auf dem Berg vor dem Dorf fand der so aufwendig beworbene Mittelaltermarkt statt. Dutzende Verkaufsstände drängten sich aneinander, Gaukler spielten auf der Bühne, Bänkelsänger zogen vorbei, in einer Ecke briet ein Ochse am Spieß und unzählige Besucher schauten, staunten, aßen und lachten.

Befremdlich mutete uns das "mittelalterliche Wegwerfgeschirr" an: Zwar bekam man um der Authentizität willen Würste auf einem Holzbrett, doch dieses wurde keineswegs ein zweites Mal verwendet. Die Abfalltonne wurde zum Holzsack! Wir bewahrten unsere Brettchen vor diesem Schicksal und hatten für den Rest des Urlaubs endlich ein stilechtes Frühstücksgeschirr.

Der Falkner - mit Falke
© Hildegard Geisler
Falkner
Am Nachmittag sammelten sich die Menschen am alten Gutshof, den ein Wall vor Angreifern schützt. Ein paar Kinder spielen davor, einige Bäuerinnen arbeiten auf dem Acker oder kommen vom Markt. Zwei dürftig ausgestattete Soldaten halten Wache. Plötzlich ertönt Geschrei. Die Kinder rennen auf das Tor zu, gleich darauf hasten auch die Frauen und Männer schreiend hinter den Wall. Eilig wird das Tor verbarrikadiert, da stehen auch schon die ersten Angreifer vor der Tür. Beleidigungen, Forderungen fliegen hin und her. Es kommt zum Kampf. Mit Schwertern und Lanzen verteidigen sich die Hofbewohner, fast scheint es, daß sie die Angreifer besiegen, da donnern auf schwarz verhängten Pferden Ritter um die Ecke. Kraft und Macht geht von den Gestalten aus, unbesiegbar müssen die gepanzerten Körper den Bauern und Handwerkern erscheinen. Die Angreifer sind nun in der Übermacht und überrennen die wenigen Soldaten des Gutshofes. Bald verstummt das Klirren, ein paar Verletzte liegen an der Böschung. Die Ritter ziehen mit den Gefangenen ab.

Wir werden vom Beifall des Publikums in die heutige Welt zurückgeholt, klatschen ebenfall für die Spielfreude, die Authentizität und aus Dankbarkeit, daß alles nur ein Spiel war.

Nebenan sammelt sich schon das Publikum, um den Vorführungen der Falkner zuzuschauen, und im Hintergrund bereiten Helfer den Platz für das Turnier vor. Noch einmal erleben wir die Pferde, eingebunden in einen mit viel Augenzwinkern gespielten fiktiven Streit um eine Bornholmer Prinzessin, bei dem Rügener und Bornholmer Ritter aufeinanderprallen. Freundlicherweise werden die Pralereien, Behauptungen und Wortgefechte der Ritter dänisch und deutsch vorgetragen. Die Besucher zucken zurück, als sie der eisenverkleidete Mann vom hohen Roß anherrscht, seine Lanze in den Boden rammt und höhnisch Forderungen herunterschreit. Die Macht, von Rüstung und Pferd verliehen, wirkt auch noch auf Menschen unserer Zeit.

Beeindruckt verließen wir nach dem Schauspiel das Mittelalter, kehrten zu den Rädern und ins 21. Jahrhundert zurück.

Bald waren wir wieder in Gudhjem, kochten Abendbrot und entschlossen uns noch zu einem Besuch der Minigolfanlage. Die 18 Bahnen sahen zwar höchst originell aus, doch liefen die Bälle auf dem Blech nicht besonders gut. Zudem waren zu viele Hindernisse für weniger erfahrene Spieler nicht zu bewältigen. Sie erforderten nicht einfach ein paar Schläge mehr, sondern der Ball erreichte überhaupt nicht sein Ziel, wenn man beispielsweise den Eingang zum Looping nicht haargenau traf. Wir vergnügten uns trotzdem, und Ludwig verfolgte aufmerksam das Treiben und freute sich, wenn er auch einmal mit dem Ball spielen konnte.

Nach Osten

Donnerstag, 19. Juli 2001

Auf der anderen Seite des Ortes gab es auch eine Windmühle
© Hildegard Geisler
Svaneke führt die Radwanderer zunächst
an einer Windmühle vorbei.
Ich schlenderte mit Ludwig zum Bäcker und füllte bei der Gelegenheit auch gleich unsere Reisekasse am Automaten auf. Nach einem guten Frühstück packten wir unsere Taschen und überließen unseren Platz den nächsten Gästen, die bereits warteten und mit Gelassenheit verfolgten, wie sich das Chaos auf der Wiese Stück für Stück lichtete.

Wir folgten der Küste, mal nah am Wasser, mal auf einer Radroute ein paar Meter entfernt mit wunderbarem Ausblick. Svaneke erreichten wir zur heißesten Zeit des Tages. Es schien, als ob selbst die Schiffe im Hafen unter der Hitze stöhnten.

Wir rasteten unter einem Baum und stellten fest, daß die brennende Sonne noch lange nicht die Luft erwärmt hatte. Also entweder in der Sonne rösten oder im Schatten frösteln ...

Ludwig bekam noch eine frische Windel, dann fuhren wir weiter. Einer der nächsten Zeltplätze sollte unser Ziel werden. Vor Nexø entdeckten wir eines der blauen Hinweisschilder. Der Platz war ziemlich leer, lag aber recht dicht an der Straße. Die Sauna war zwar ein nettes Feature, interessierte uns jedoch angesichts der Außentemperaturen nicht weiter. Wir hätten unser Zelt direkt am Wasser aufstellen können - mit Blick auf die Industrieanlagen Nexøs. Letztendlich waren wir nicht zufrieden und zogen weiter.

Kurz vor Snogebæk befindet sich ein weiterer Platz, der noch zu Balka gehört. Zwei Hüpfkissen deuteten auf Kinderfreundlichkeit, und die Inspektionsrunde ergab keine Nachteile. Überraschenderweise sah man jedoch an der Rezeption ein Problem: Man war praktisch ausgebucht. Am Wochenende sollte Hafenfest in Snogebæk sein, auch dafür hatten wir Plakate überall auf der Insel gesehen. Offenbar hatte die Werbung funktioniert und viele Urlauber hierher gelockt.

... und dann versuchte er, das Zelt zum Trampolin zu machen ...
© Hildegard Geisler
Ludwig hilft beim Zeltaufbau
Zwei Nächte konnte man uns schließlich doch noch aufnehmen, wir konnten sogar zwischen zwei Stellplätzen wählen - ein Service, den ich so noch nicht erlebt habe. Wir untersuchten die Plätze, und natürlich hatten beide Vor- und Nachteile. Schließlich entschieden wir uns für einen Fleck, der für unseren Geschmack zu dicht bei der Straße und nach Meinung des Platzwarts zu dicht bei einer lärmenden Gruppe lag. Praktisch waren dann sowohl die Straße als auch die Camper-Gruppe sehr ruhig.

Dafür verfügte der Platz sowohl über Wickel- und Babybaderaum als auch über Familienbäder. In diesen Räumen mit Dusche, WC, Waschbecken und Sitzbank konnte man wundervoll gemeinsam duschen!

Wir schlenderten zum Strand, der wunderbar feinen Sand aufwies, eine Gefahr für alle Fotoapparate, Uhren und Fahrradschaltungen, aber herrlich zum Spielen, Baden, Sonnen, Strandwandern. Es war gut, hier zwei Nächte zu bleiben.

Unsere Nachbarn erfreuten sich an Ludwig, wenn ich ihn zwischen Küche und Zelt hin- und hertrug. Ich sah ja nicht, welche Grimassen er schnitt, wenn er auf meinen Schultern saß, aber offenbar müssen es doch meist freundliche Gesichter gewesen sein, so oft lachte jemand zurück.

Faulenzen

Freitag, 20. Juli 2001

Heute ging es besonders langsam los. Ludwig hatte sich an das Leben im Zelt gewöhnt und lies sich überreden, daß der morgendliche Sonnenschein noch zur Nacht gehört. Gegen 8 Uhr war er dann nicht mehr zu bremsen, überkletterte seine Eltern in allen Richtungen, und bevor er gar zu viel Unsinn machen konnte, ließen wir ihn hinaus.

Nicht gestellt, ich habe wirklich geschlafen. Dieser Schmetterling hat sich lange genug ausgeruht für ein Foto.
Als Ludwig dann den Sand in Ariekes Gesicht warf, wurde sie unwillig.
© Hildegard Geisler - Faulenzen
Trotzdem passierte noch nicht viel - wir lasen Zeitung, bereiteten behäbig das Frühstück vor, schrieben Karten und waren im wesentlichen faul. Mit Ludwig zog ich auf den Spielplatz bei der Rezeption. Dort begrüßte er ein niederländisches Mädchen etwa gleichen Alters, aber gemeinsames Spielen heißt bei den Kleinen offenbar irgendwann immer, Sand auf den Kopf des anderen zu schütten.

Auf dem Hüpfkissen fühlte er sich dann schon wohler. Es dauerte auch gar nicht lange, da kam wie auf fast allen Campingplätzen ein acht- bis zwölfjähriges Mädchen, das mit dem Baby spielen wollte. Mal fragten sie direkt, mal trauten sie sich nicht und waren überglücklich, wenn ich signalisierte, daß ich nichts gegen die Betreuung einzuwenden habe. Ganz besonders leuchteten die Augen, wenn wir dann noch gestatteten, den Ludwig hochzunehmen. Meist stellten sie aber recht schnell fest, daß ein 10 Monate altes Baby deutlich schwerer als eine Puppe ist und setzen ihn vorsichtig wieder ab.

Diesmal sprang seine neue Freundin ganz vorsichtig auf dem Hüpfkissen herum - gerade so stark, daß er nicht das Gleichgewicht verlor und daran Spaß hatte. Seine Sicherheit nahm rasant zu, und ich mußte nicht mehr pausenlos um das Kissen wetzen, um ihn aufzufangen.

Es war viel zu heiß, um am Strand zu liegen. Die Faulheit war verführerisch, und wir überlegten uns, noch einen Tag hier herumzuliegen. Leider war unser Platz reserviert, die Weiterfahrt am nächsten Tag also unabänderlich. Ein Umzug innerhalb des Campingplatzes reizte uns nicht.

Wir zogen am Nachmittag samt zum Jogger umgebautem Anhänger ins wenige Hundert Meter entfernte Snogebæk. Das winzige Hafenbecken sollte ein Hafenfest verkraften? Dazu noch das größte Bornholms? Tatsächlich war auf einer Fläche in der Nähe ein großes Zelt aufgebaut und eine Reihe leerer Stände wartete auf fahrende Händler. Absperrungen standen bereit, kamen aber noch nicht zum Einsatz.

Wir schlenderten an einigen Geschäften vorüber. In dieser Gegend hatten sich viele Künstler niedergelassen. Textilgestalter, Töpfer, Grafiker und ganz besonders Glasbläser hofften auf interessierte und zahlungswillige Gäste. Die Glasvasen, deren Entstehung wir vor dem Brennofen verfolgen konnten, waren wirklich wunderschön, und letztendlich konnte Arieke nicht widerstehen. Der Meister persönlich erläuterte ihr Technik und Besonderheiten seines Werkes und reduzierte schließlich den Preis noch kräftig.

Eine Kaufhalle versorgte uns mit Lebensmitteln, eine Schokoladenmacherei ergänzte den Einkauf um einige Leckereien und nach einem Bummel über die paar Meter der Mole und einem hervorragenden Eis liefen wir wieder heimwärts. Wir ließen uns noch für ein oder zwei Stunden am Strand nieder, denn jetzt war es ein wenig kühler und damit angenehm geworden. Hinter uns zogen die Menschen zum Hafenfest, wo heute eine in Dänemark populäre, uns aber unbekannte Gruppe auftreten sollte. Jetzt wurde Eintritt verlangt - wir hätten kostenlos in dem Areal bleiben können.

Ludwig durfte im Babyraum gleich noch ein zweites Mal baden, was auch sehr notwendig war, wenn sich in unserem Zelt keine Dünen bilden sollten. Danach schlief er schnell und ohne Murren ein. Wir konnten sogar noch die Familiendusche ausprobieren, bevor wir ebenfalls in die Schlafsäcke krochen.

Nach Rønne

Sonnabend, 21. Juli 2001

Für unsere Verhältnisse war es noch früh, als wir aufstanden. Frühstück, Einpacken - alles wie gehabt. Endlich faßten sich unsere Nachbarn ein Herz und fragten, ob sie Ludwig zu sich holen dürften. Uns war das sehr recht, denn das Essen wird doch ruhiger, wenn nicht jemand ständig über die Butter zu klettern versucht.

Ludwig verfolgte stolz und strahlend vom nachbarlichen Tisch, wir wir unserer Sammelsurium ordneten und verstauten. Dann kam er wieder zurück und wurde gleich in den Anhänger verfrachtet.

In Snogebæk war es noch ruhig und leer. Einzig ein Schankwagen arbeitete schon auf dem Festplatz und versorgte hauptsächlich die Aufräumkommandos. Wir schauten uns noch etwas um und zogen dann los ans südöstliche Ende der Insel.

Eine Wassermühle bei Dueodde kannten wir von der letzten Reise und suchten sie auch diesmal wieder auf, um zu pausieren. Eine zweite Sehenswürdigkeit war zwar ausgeschildert, ist uns jedoch vor drei Jahren entgangen. Diesmal fand ich den unscheinbaren Klotz im Sand, der als geodätischer Punkt fungiert. Genau 55° nördliche Breite und 15° östliche Länge sind die Koordinaten dieses Steines. Ich hatte kein GPS-Gerät mit, um dies zu überprüfen und las mir dafür eine Tafel durch, welche die Bedeutung des 15°-Meridians für unsere Zeitzone erläuterte.

Ludwig nutzte die Gelegenheit, seine Mütze in die Büsche zu werfen. Es herrschten sowieso meist gegensätzliche Auffassungen über die Notwendigkeit einer Mütze, diesmal jedoch entging mir sein physischer Protest. Hildegard fand zwar nicht den gut versteckten geodätischen Punkt, wohl aber die Mütze wieder, als sie ebenfalls eine Runde über das Areal machte.

Der Sand hier war genauso fein oder vielleicht noch feiner als in Snogebæk. Früher wurden damit sogar Sanduhren gefüllt, jetzt waren wir froh, wenn er nicht in unsere Uhren gelangte.

Nach ausgiebiger Rast fuhren wir weiter. Die knapp 20 Kilometer mit frischem Gegenwind entlang einer größeren Straße nach Westen waren zwar nicht weiter schlimm, verglichen mit den anderen Strecken aber das langweiligste Stück auf Bornholm. Kurz vor dem Flughafen Rønne fiel es einem Hinweisschild daher sehr leicht, uns zu einem Besuch einer Fischräucherei in Arnager zu überreden.

Neben den üblichen Räucherwaren fanden sich hier auch richtige Fischgerichte, und ohne groß nachzudenken bestellten wir drei Mahlzeiten. Wenn auch das Mittagessen etwas spartanisch ausgefallen war, so hatten wir jetzt eine luxuriöse, sehr wohlschmeckende Vesper.

typische Straße - nicht nur für Rønne
© Hildegard Geisler
Rønne
Am kleinen Flugplatz vorbei ging es nach Rønne. Rønne hat zwei Campingplätze. Den nördlichen kannten wir von früher, den südlichen hatten wir damals ignoriert, weil er so nahe am Flugplatz lag. Nachdem wir nun den Flugplatz kannten, würde ich jederzeit einen Zeltplatz neben dieser Rollbahn gegenüber einem an einer Straße vorziehen. Lieferte auch der Flughafen kein Argument, so erschien uns im Rückblick doch der nördliche Platz als die bessere Wahl. Es ist schwer zu begründen, nur ein Eindruck ...

Wir rollten also diesmal auf dem südlichen ein und bauten die Zelte in der Nähe des Spielplatzes auf, wo bereits eine Horde Kinder in der Nähe des obligatorischen Hüpfkissens herumtollte. Der Strand lag wenige Meter hinter dem Platz unterhalb einer Steilküste, wies jedoch recht groben Sand und vor allem sehr viel Seetang auf. Verglichen mit Snogebæk würde das Badevergnügen hier geringer ausfallen, dafür sahen wir die Sonne wieder wunderschön zwischen den Wolken im Meer versinken.

Knudsker, Nyker

Sonntag, 22. Juli 2001

Wir entschieden uns zu einer Rundtour um Rønne. Ein Stück fuhren wir den Weg des Vortages zurück, dann bogen wir ins Landesinnere ab. Die Route führte mitten durch einen Golfplatz, was mir Gelegenheit gab, einem Abschlag aus nächster Nähe zuzusehen. Nach langwierigen Vorbereitungen bewegte sich der Schläger endlich auf den Ball zu, traf und schleuderte den Ball quer über die Straße in die gegenüberliegende Böschung. Hildegard war samt Hänger schon etwas vorausgefahren und blieb von der unerwarteten Attacke verschont. Etwas betreten schauten die Spieler zu mir herüber, denn 45° Abweichung vom geplanten Kurs sind ja doch etwas heftig.

Zu fast jeder Rundkirche gehört so ein Brunnengebäude.
© Hildegard Geisler
Nyker: Das Nebengebäude der Rundkirche
Ludwig wurde in seinem Wagen unruhig, offenbar wollte er lieber spielen als schlafen. Nun, wir hatten ja alle Urlaub, warum sollten wir nicht seinen Wunsch erfüllen. Auf einer schattigen Lichtung untersuchte Ludwig Kiefernzapfen, Steine und Stöcke, während ich mich endlich einmal aufraffte, ein paar Karten zu schreiben.

Als der Kleine müde wurde, zogen wir weiter, fuhren durch schattige Wälder und kamen nach Knudsker, der Kirche, in der Hildegards Oma vor vielen Jahren geheiratet hat. Etwas weiter liegt Nyker, wo sich die kleinste der Bornholmer Rundkirchen befindet. Weil Sonntag war, konnten wir sie leider nicht besichtigen, genau wie vor drei Jahren. Dafür schien diesmal die Sonne herrlich auf das weiße Gemäuer und bot zumindest von außen einen wunderschönen Anblick.

Auf dem Weg zurück zur Küste konnten wir noch einkaufen. Die Lebensmittelläden auf Bornholm öffnen meist auch am Sonntag, was uns die Sorge um fehlendes Mittag- und Abendessen abnahm. Wir gelangten an den Strand, der hier weitaus sauberer als südlich von Rønne war. Der recht grobe Sand stellte keine so große Gefahr für die Feinmechanik dar, ließ sich aber auch nicht so gut zu Türmen, Burgen und Brücken verarbeiten. Ludwig störte das nicht, er genoß das Spiel im und am Wasser.

Die Sonne stand schon tief, als wir schließlich aufbrachen. Wir durchquerten das Zentrum von Rønne, wo Cafes, Kneipen und Restaurants dicht bevölkert waren. Kurz vor dem Zeltplatz entdeckten wir einen Rundbau, der uns schon auf Postkarten aufgefallen war und der sehr stark einer Rundkirche ähnelte. Wir hatten uns gewundert, kannten wir doch inzwischen die Kirchen, doch dieses Gebäude hatten wir bis dahin noch nicht gesehen. Nun löste sich das Rätsel: Der weiße Turm gehörte zur Festung und hatte nichts mit einer Kirche zu tun.

Der letzte Abend in Dänemark sah uns am Zelt, mehr oder weniger erfolgreich bei der Mückenabwehr.

Heimkehr nach Rügen

Montag, 23. Juli 2001

Wir hatten uns entschieden, an einem Wochentag zurückzukehren, weil die Fähre da früher verkehrte. Inzwischen fuhr auch wieder das reguläre Schiff, offenbar war die beschädigte Fähre inzwischen repariert. Trotzdem blieb uns noch fast ein ganzer Tag in Rønne.

Vor dem Zeltplatz begegneten wir wieder einmal einem Kinderanhänger, doch diesmal war es erstmalig dasselbe Modell wie wir es fuhren. Etwas Fachsimpelei war unumgänglich, und wir bestätigten einander die allgemein guten Erfahrungen mit dem Ritschie. Nur die Radlager waren unseren neuen Bekannten suspekt, die Räder wackelten schon etwas. Wir stellten fest, daß unser Modell bereits weiterentwickelt worden war, die Achsaufnahme sah anders aus und wirkte stabiler. Die Firma Weber hat also offenbar das Problem bereits erkannt und Änderungen vorgenommen.

In Rønne stellten wir Räder und Anhänger auf dem Markt ab. Ludwig war das sehr recht, denn dort befand sich ein großer Springbrunnen. Sechs metallene Schnecken betätigten sich als Wasserspender. Ludwig versuchte zunächst den Wasserstrahl zu greifen - ein vergebliches Unterfangen, wie er bald lernte. Dann versuchte er die Düse zuzuhalten. Das war ein spannendes Spiel! Es störte überhaupt nicht, daß der Strahl dadurch in völlig unvorhersehbare Richtungen gelenkt wurde und mitunter auch erstaunliche Weiten erreichte. Die meisten Betroffenen sahen die plötzliche Dusche sehr gelassen, bei der großen Hitze teils sogar mit Freude.

Wir schlenderten abwechselnd durch die Stadt und kehrten schließlich in einem schattigen Restaurant ein. Zwar hatten wir kein Geld mehr, aber in Rønne gab es ja Automaten. Als nach dem leckeren Essen irgendwann die Rechnung kam, zog ich also los und beschaffte erst einmal den fehlenden Betrag. Ein Kreditkartengerät existierte zwar, war aber noch nicht funktionstüchtig, erklärte uns die Bedienung.

Leuchtturm Rønne
© Hildegard Geisler
Abschied von Rønne
Wir statteten der Kirche, dem Wahrzeichen für alle ankommenden Schiffe noch einen Besuch ab, dann rollten wir zum Hafen und fast ohne Wartezeit auf die Fähre. Wir banden unsere Räder im gewaltigen Bauch des Schiffes fest, das sich nur zur reichlichen Hälfte füllte. Vom oberen Deck aus hatten wir eine herrliche Übersicht und konnten mit leichter Wehmut sehen, wie die Häuser der freundlichen Insel allmählich in der Ferne versanken.

Ein Kinderspielzimmer gab es auf dem Schiff nicht, genauer gesagt: nicht mehr. Zu viele Eltern hatten ihre Kinder dort einfach abgeliefert und waren nicht erreichbar, wenn Probleme auftraten. So krabbelten also mehrere Kleinkinder über die mäßig sauberen Decks.

Die Cafeteria hatte mangels Bedarf geschlossen, nur ein Kiosk und das Restaurant arbeiteten. Der Duty Free Shop wies ein für meine Bedürfnisse ausgesprochen armseliges Angebot auf, ein Teil der Fläche wurde nicht einmal genutzt. Trotzdem füllten einige Reisende ihre Körbe bis zum Rand mit diversen Alkoholika, die ich in Jahren nicht verbrauchen würde.

Wir wollten die letzte Tagesetappe nicht mit hungrigen Mägen antreten und kehrten gegen Ende der Überfahrt im Restaurant ein. Zu recht angenehmen Preisen aßen wir einen gewaltigen und gut zubereiteten Salat oder einen überreichlich gefüllten Fischteller.

Die Steilküste bei Stubbenkammer und Saßnitz zog vorüber und die Sonne färbte sich schon rötlich, als wir den Hafen erreichten. Pünktlich legten wir an und hatten das Schiff bald verlassen. Jetzt mußten wir uns beeilen, denn es war schon spät, und der nächste Zeltplatz in nördlicher Richtung lag einige Kilometer hinter Saßnitz.

Wir fuhren also zügig los, und Ludwig hatte sich auf dem Schiff lange genug ausgetobt, um eine längere Fahrt zu tolerieren. Allerdings wurde er nun müde, und um diese Zeit gehörte er eigentlich ins Bett und nicht in einen Fahrradanhänger. Das wußte er genau, und irgendwann fing er dann zu protestieren an.

Saßnitz streiften wir nur am Rande, wir fuhren zunächst auf einem frisch asphaltierten Weg, dann ein Stück auf üblem Kopfsteinpflaster nach Norden, bis wir auf die Asphaltstraße trafen. Im Nationalpark dürfen keine neuen Wege angelegt werden ...

Allmählich wurde es dunkel, Ludwig immer fordernder und die Karte nicht mehr erkennbar. Endlich erreichten wir Nipmerow - die kurze Strecke schien unter diesen Bedingungen länger zu sein als der Tacho anzeigte.

In einer alten Baracke verbarg sich die Kneipe des Platzes und wohl auch des Ortes, bevölkert von Individuen, die sofort perfekte Statisten für jede Art von Dorfkneipe abgegeben hätten. Der Platzwart betrieb nicht nur Campingplatz und Kneipe, das Auto warb für seinen Partyservice und der Prospektständer war die offizielle Tourismuszentrale von Lohme und Nipmerow. Ein All-Round-Talent also.

Das Areal im Wald lag bereits im tiefen Dunkel, aber es wäre mit Sicherheit noch Platz für unsere beiden Zelte versicherte uns der Platzwart. Ich tastete mich zwischen den Bäumen umher, fand das Gelände recht uneben und beschloß, einfach auf einem halbwegs ebenen Fleck in der Nähe der Rezeption zu bleiben. Dann haben wir es auch nicht so weit zu den Duschen.

Ein netter Nachbar stellte seine leistungsfähige Lampe zur Verfügung, und sobald das Innenzelt stand, breiteten wir darin Isomatten und Schlafsack aus, so daß Ludwig sein Bett hatte. Danach deckte ich das Außenzelt darüber und verteilte ein paar Heringe sinnvoll im Boden.

Stubbenkammer

Dienstag, 24. Juli 2001

Bei Tageslicht erschien die Wahl unseres Platzes gar nicht schlecht, nur standen die Zelte etwas arg dicht zusammen. Unsere Heringe befanden sich in Ariekes Vorzelt. Wenigstens liefen dadurch die Bewohner der wenigen Zelte hinter uns nicht zwischen uns entlang, wenn sie zur Kneipe wollten.

Unsere Idee, Wäsche zu waschen, mußten wir zunächst aufgeben. Die Maschine war zum großen Bedauern des Platzwartes ausgebucht ("Mit Kind hätten Sie selbstverständlich Vorrang gehabt, aber jetzt habe ich den ganzen Vormittag schon voll.") Nun gut, wir würden auch so zurechtkommen, und die saubere Phase eines frischen T-Shirts lag bei Ludwig derzeit sowieso eher im Minuten- als im Stundenbereich.

Herthasee
© Hildegard Geisler
Der Herthasee - ein idyllischer Fleck
wenige Hundert Meter vor dem Königsstuhl
Unser heutiges Ziel war die Stubbenkammer, die Arieke noch nicht kannte und auch wir schon sehr lange nicht mehr besucht hatten. Ein gut ausgeschilderter Wanderpfad schlängelte sich zunächst durch Gebüsch und Brennesseln, dann durch schattige Wälder. Nach wenigen Kilometern kamen wir auf den Weg, der die Besucher vom nächstgelegenen Parkplatz zu der Touristenattraktion führte. Hier fühlte man sich wie auf dem Fußgängerboulevard einer belebten Einkaufsstraße. Die Strecke war dafür nur kurz. Zum Schluß kamen wir an die Straße, auf der nahezu pausenlos Touristenbusse unterwegs waren.

Wir hatten leider unsere Wasserflaschen vergessen, weswegen wir erst einmal einen Kiosk aufsuchten, der zudem ganz hervorragende Waffeln verkaufte. So kam Arieke wenigstens einmal im Urlaub zu dem in Holland üblichen Vormittagskaffee.

Wir wählten den Weg zur Victoria-Aussicht, weil dort weniger Menschen liefen. Am äußersten Punkt des Felsens stand dann jedoch trotzdem eine kleine Schlange. Die Aussicht war den Aufwand aber wert, allerdings befanden sich einige Meter weiter noch mehr Punkte, von denen sich ebenfalls traumhafte Ausblicke auf das Meer mit den in der Sonne leuchtenden senkrechten Kreidewänden boten. Die Küste erscheint gar nicht so hoch - bis man unten im Geröll die winzigen Figuren entdeckt, die auf der Suche nach Versteinerungen umherkrabbeln.

Wir liefen weiter zum Königsstuhl. Der jedoch war abgesperrt, und nur für 2 DM Eintritt durfte man den Felsen betreten. Das taten so viele Menschen, daß uns die Lust verging. Zudem hatten wir ja die besten Ausblicke gerade erlebt. Vom Königsstuhl selbst würden wir ebendiesen kaum in der Sonne leuchten sehen ...

Wir zogen also weiter, verließen alsbald den Hauptwanderweg und waren nach wenigen Metern für uns allein. Nur noch selten begegneten uns einzelne Wanderer oder Familien. Der Weg schlängelte sich am Steilufer entlang, kam an einem winzigen Leuchtturm vorbei - klar, wenn er auf der Steilküste steht, muß der Turm eigentlich nur noch Leuchte sein, nicht mehr Turm - und stiegen kurz vor Lohme zum Ufer hinunter.

Nach kurzer Wanderung über den Geröllstrand langten wir beim idyllischen Hafen von Lohme an. Mittagspause. Ich hatte schon beim gestrigen Bezahlen des Campingplatzes bemerkt, daß mein Portemonaie verdächtig leer aussah. Die gebratenen Schollen des Hafenkioskes leerten nun auch Hildegards Geldbörse. Arieke hatte sowieso noch keine Gelegenheit gehabt, Gulden in D-Mark zu tauschen.

Wir hatten vor der Reise nach Bornholm unsere Bargeldbestände nicht aufgefüllt, auf der hastigen Fahrt nach Nipmerow kamen wir an keinem Automaten vorbei, und nun war das Geld also fast alle. Ob es in Lohme einen Automaten gab? Ich glaubte es nicht. Ich zweifelte sogar, daß wir einen Lebensmittelladen finden würden. Trotzdem kletterte ich die 224 Stufen der langen Treppe in den Ort hinauf, während Hildegard, Arieke und Ludwig ihre Siesta am Strand fortsetzen.

Daß zwischen den paar Häusern des kleinen Dorfes kein Geldautomat zu finden sein würde, war mir schnell klar. Gab es wenigstens ein Geschäft? Ja, ein Schild "Dorfladen" schuf Optimismus, und eine vorbeikommende Frau erklärte mir, daß der tatsächlich von 16 bis 18 Uhr geöffnet hätte.

Nun gut, ich kletterte wieder hinab, und wir vergnügten uns noch eine Stunde am Strand, warfen Steine, schliefen, plantschten und waren zufrieden. Wir hätten noch länger herumliegen können, doch leider lagen nicht nur die Wasserflaschen, sondern auch die Windeln im Zelt. So brachen Hildegard, Ludwig und ich auf, Arieke wollte noch etwas ruhen.

Zum zweiten Mal erklomm ich die Stufen. Der Laden hatte geöffnet, ein Schild wies auf das Sonderangebot "Melonen" hin. Wir zwängten uns durch die Tür. Käse und Marmelade wollten wir. Beim Käse fiel die Wahl leicht: Wir nahmen den Camembert "Badejunge" eben mit. Bei der Marmelade konnten wir wählen: Es gab zwei Sorten! Aprikosenkonfitüre aus Rostock und Aprikosenkonfitüre aus Magdeburg. Wir entschieden uns für die Rostocker Variante und wandten uns dem Sonderangebot zu. Eine halbe Melone reichte uns. Das war kein Problem, im Gegenteil, nach uns kamen noch zwei Kunden, die die andere Hälfte kauften, dann waren die Melonen alle.

Die Frage nach einem Geldautomaten rief - fast schon erwartet - Erstaunen hervor. "In Saßnitz" - das ist wohl in dieser Gegend die Standardantwort nach Einrichtungen, die es im eigenen Dorf nicht gibt.

Ich hatte lange kein so kleines Geschäft mehr gesehen, und offenbar überlebte es vor allem dank eines angeschlossenen Bisztros, in dem sich einige Arbeiter ein Feierabend-Bier genehmigten.

Nach Nipmerow führte nur eine Straße. Wir kamen zwar an einer Bushaltestelle vorbei, staunten sogar, daß hier mehrmals täglich ein Bus kam, vergaßen aber, mal auf unsere Uhren zu schauen. So überholte uns fünf Minuten später der Linienbus, aber zu Fuß waren wir auch nur eine reichliche Viertelstunde unterwegs.

Die Waschmaschine war jetzt frei, Ludwig hatte Hunger, eine frische Windel war überfällig - die nächste Stunde verflog im Nu. Auch die Windeln gingen nun zur Neige, wir mußten also am nächsten Tag auf jeden Fall ein etwas größeres Geschäft als den Lohmer Dorfladen finden.

An unserem Zelt konnten wir Tiere beobachten. Kleine Mäuse statteten ohne Angst unserem Vorzelt Besuche ab. Sie ließen sich ohne Scheu fotografieren und schienen die Aufmerksamkeit regelrecht zu genießen. Versehentlich trat ich sogar einer gegen den Kopf, worauf sie einige Minuten in einem Dämmerzustand verbrachte, bevor sie sich doch wieder in eines der zahlreichen Löcher zurückzog.

Gegen Abend besuchten wir das unweit gelegene Hühnengrab, betrachteten den Sonnenuntergang, liefen einmal die Dorfstraße ab und kehrten wieder heim. Unterwegs trafen wir ein Schweizer Pärchen, die mit ihrem 7 Wochen alten Baby Urlaub machten. Offenbar klappte das ganz gut, nur das Unverständnis anderer Camper schien sie zu belasten.

Wir dehnten den Abend nicht zu lange aus. Es wurde deutlich früher dunkel als in Bornholm, und die sehr raren Bargeldreserven wollten wir nicht in die "Spechthöhle" tragen.

Über die Schaabe

Mittwoch, 25. Juli 2001

Wir hatten dummerweise vergessen, Brötchen zu bestellen. Für Frühaufsteher waren zum Glück noch welche übrig, aber ich zog mich nach dem Einkauf noch einmal in den Schlafsack zurück.

Unsere freundlichen Nachbarn hatten bereits Teewasser gekocht und vereinfachten dadurch unsere Frühstücksvorbereitungen. Danach packten wir alles zusammen und verließen den Campingplatz, der uns in guter Erinnerung blieb.

Das erste Stück der Route führte über einen Feldweg, dann folgte Kopfsteinpflaster, bis wir auf die Asphaltstraße einschwenkten. Ein Schild am Wegesrand wies auf einen Biobauernhof mit Verkauf hin. "Dort würde ich gern einkaufen" seufzte Hildegard. Na, ein paar Mark würden wir schon zusammenbekommen, und für etwas Käse reichte das bestimmt - ich bog also in den Hof ein.

An der Tür prangten die Symbole diverser Kreditkartenfirmen, Eurocash und anderer Zahlungsvarianten. "Kauft, was ihr wollt, wir können's bezahlen", jubelte ich und stürmte in den Laden. Dort erwartete uns tatsächlich ein faszinierendes Angebot von Käse, Wurst, Obst und Gemüse. Auch diverse Süßwaren mit Zutaten aus ökologischem Anbau lagen herum. Wir füllten unsere Vorräte nach Herzenslust auf und hatten schließlich eine Rechnung von über 80 DM zu begleichen, was für Fahrradtouristen recht hoch ist.

Eine Flasche Saft trank ich gleich vor dem Laden aus und brachte sie zurück, wodurch unsere Bargeldreserven sogar um 30 Pfennig stiegen.

Weit kamen wir nicht, da bemerkte Hildegard einen platten Reifen am Anhänger. Kein großes Problem, dachte ich - zumal am Bauernhof auch eine Gaststätte und damit öffentliche Toiletten waren, so daß man nicht mit dreckigen Händen weiterfahren mußte. Allerdings fand ich kein Loch im Schlauch, und das Ventil zeigte sich beim Aufpumpen höchst widerwillig. Irgendwie gelang es aber doch, den Reifen wieder prall zu bekommen.

Nun war das nächste Ziel Glowe, denn auf dem Campingplatz hatte man uns immerhin noch sagen können, daß es dort eine Poststelle geben solle und wir deswegen nicht nach Saßnitz zu fahren brauchten.

Tatsächlich - an der Kaufhalle prankte das Postsymbol, und darin befand sich eine Postecke von der Größe eines soliden Schreibtisches. Zu meiner großen Erleichterung konnten wir tatsächlich Geld bekommen. Als wir freudestrahlend mit gefüllten Portemonaies herauskamen, wollte auch Arieke etwas Geld haben. "Was ist denn das?" wurde ihre Karte bestaunt. Nur Postbank-Karten werden akzeptiert, beschied man sie. Wir gaben ihr etwas von unserem Geld, denn voraussichtlich würden wir auch weiterhin keine Möglichkeit finden, ein niederländisches Konto zu belasten.

Vor der Kaufhalle standen die Räder einer sechsköpfigen Familie: Ein Kind im Kindersitz, eines auf einem Trailerbike, zwei fuhren selbst, und der Vater zog noch einen Kinderanhänger, der allerdings mit Gepäck gefüllt war. Diese Meute auf einem Fahrradurlaub zu koordinieren, setzt viel Erfahrung voraus - ich war beeindruckt.

Inzwischen hatte Hildegard das Windelangebot sondiert, was sehr einfach war, da es für Ludwigs Größe nur eine Sorte gab. Da Ludwig die allerletzte Windel trug, fiel uns die Entscheidung leicht.

Wir fuhren nun weiter entlang der Schaabe. Ludwig schlief, und wir wollten die Zeit nutzen. Kurz vor Juliusruh wachte er auf. Das war mir sehr recht, denn in Juliusruh führten befestigte Wege bis an den Strand, so daß wir die Badeutensilien nicht weit zu schleppen brauchten. Auf den sandigen Wege entlang der Schaabe kommt man zwar an weniger belebte Abschnitte, aber für ein kurzes Bad war uns der Aufwand zu hoch.

Wir fanden zwischen den anderen Badeurlaubern einen freien Fleck und breiteten uns aus. Ludwig besuchte die Kinder der Nachbarn, war aber leider noch zu klein für deren Spiele. Das tat seiner Begeisterung keinen Abbruch, wir mußten ihn nur daran hindern, die aufwendig aufgebauten Spielszenen aus kleinen Figuren nicht zu zerstören.

Ich wanderte ein Stück den Strand entlang auf der Suche nach einem Geschäft, in dem man eine Zahnbürste kaufen könnte. Hildegards Bürste war einfach nicht mehr aufzufinden, und in Glowe hatten wir nicht dran gedacht. Wenige Meter weiter stieß ich auf eine Familie mit drei Kindern: Zwei saßen im Fahrradanhänger, das dritte fuhr selbst. Wir unterhielten uns ein wenig über Kinderanhänger, denn auf Rügen sah ich sie weitaus seltener als auf Bornholm.

Ich wurde nach einem Supermarkt gefragt, was mich etwas erheiterte, hatten wir doch gerade selbst ein paar Versorgungsprobleme gelöst. Immerhin, der kleine Laden ein paar Meter weiter hatte Zahnbürsten und ich konnte sogar Hildegards genaue Spezifikation der Borstenstärke erfüllen.

Da war der Reifen wieder repariert.
© Hildegard Geisler
Der Leuchtturm von Kap Arkona - nördlichster Punkt Rügens
Wasser- und Sonnenbad hatten wir ausgiebig genossen. Also zogen wir weiter nach Norden. Der Plattenweg forderte wieder etwas mehr Aufmerksamkeit, und diesmal war es Arieke, die den platten Reifen am Anhänger bemerkte. Es war heiß, kein Schatten in der Nähe, der Schweiß floß - ich war nicht begeistert! Diesmal tauschte ich den Schlauch vom Bugrad ein, das nur zum Einsatz kam, wenn wir den Hänger als Jogger nutzten. Offenbar lag der Fehler im Ventil, denn dieses ließ sich problemlos aufpumpen.

Wir gelangten durch das kleine Dorf Vitt, das von Touristen überschwemmt wurde, besuchten Kap Arkona und rollten im Abendsonnenschein noch ein Stück westwärts. Unsere Karten waren sich nicht ganz einig, wo es hier Campingplätze geben sollte. Ein kleiner privater Platz behauptete, gefüllt zu sein, und so kamen wir dann in Dranske-Nonnevitz an, einem riesigen Platz mit Tausenden von Stellplätzen.

Für uns, die wir nur eine Nacht bleiben wollten, war kein Platz mehr frei, und man wies uns ein Areal mit "Notplätzen" zu. Zwar wies die Rechnung aus, daß wir 16 m² pro Zelt beanspruchen könnten, aber dies war auf der kleinen Lichtung völlig unrealistisch. Merkwürdigerweise waren durchaus noch reguläre Stellplätze frei und wurden am selben Abend auch nicht mehr besetzt. Nun gut, "Regenbogencamping" mag also Leute nicht, die nur wenige Nächte bleiben.

Die Familie, die wir in Juliusruh getroffen hatten, traf wenig später ebenfalls auf unserer Lichtung ein. Wir hatten damit gerechnet und unsere Zelte so aufgebaut, daß noch Platz für sie übrigblieb. Angenehme Nachbarn gleichen die sonstigen Nachteile des Platzes ja aus.

Wenigstens waren für den ausgesprochen hohen Preis die Duschen frei, es gab einen Wickelraum und morgens mehrere Bäcker auf dem Platz. Die Sanitäranlagen wurden dreimal täglich gereinigt.

Unweit unserer Zelte lag die Kneipe, wo ein Diskotheker gerade die Stimmung anzuheizen versuchte. Offenbar war er erfolgreich, und als dann Lieder erklangen, die vor vielen Jahren "in" waren, als ich mit meiner Klasse zelten fuhr, hob sich auch unsere Stimmung immer mehr.

Hildegard verfolgte mit Ludwig den Sonnenuntergang am Strand, während das Essen garte. Ludwig interessierte sich mehr für die anderen Menschen als für die Sonne und belustigte ganze Gruppen mit seinen Aktionen, während Hildegard fotografierte.

Die fünfjährige Tochter unserer Nachbarn besuchte uns: "Guten Tag, ich bin die Sasha und möchte gern mit dem Baby spielen." Na, da waren gleich zwei Kinder glücklich. Immer wieder kam Sasha und schaute nach Ludwig, und zum Schluß brachte sie ihn noch mit ins Bett, wobei ich ihren besorgten Eltern versichern mußte, daß wir sie dazu eingeladen haben und es keinesfalls als aufdringlich empfinden würden.

Als Ludwig schlief, gingen wir baden. Unsere Nachbarn hatten drei Kinder, würden also im Notfall auch Ludwig ein paar Minuten beaufsichtigen, falls er wider Erwarten erwachen würde. Wir genossen den herrlichen Strand, die Wellen und die saubere See, bis wir müde genug waren, um schlafen zu gehen.

Nach Süden

Donnerstag, 26. Juli 2001

Der herrliche Strand verzögerte den Aufbruch, die wunderbaren Wellen halfen dabei. Wir tobten uns in den Fluten aus und genossen es, umhergeschleudert zu werden. Sie hatten gerade die richtige Größe, man konnte sie bewältigen, spürte aber schon die Macht des Meeres sehr deutlich. Wer ins tiefere Wasser geriet, mußte schon kräftig gegen den Sog anschwimmen, wenn er wieder ans Ufer kommen wollte.

Irgendwann waren aber doch alle Sachen verpackt, zumal bereits die nächsten Camper warteten, daß wir unsere Notplätze freigaben. Zwei "Akademixer" wollten zwei freie Tage hier verbringen, bevor sie ihre Rügentournee fortsetzten. Es dürfte etwa ungeschickt sein, Kabarettisten an den Katzentisch zu verweisen. Vielleicht fehlt gerade im nächsten Programm noch ein Gag über den Umgang mit Kurzzeitgästen ...

Kirche Wiek
© Hildegard Geisler
Kirche Wiek
Freundlicher Abschied, dann waren wir wieder auf der Straße. Wir waren ja bereits vor dem Zeltplatz Schaprode gewarnt worden, wollten den also auf jeden Fall meiden. So fuhren wir zunächst nach Wiek und weiter einen idyllischen Weg zur Wittower Fähre. Ich sah das Schiff gerade kommen und überlegte, ob wir nicht vorher noch dem gegenüberliegenden Gasthaus einen Besuch abstatten wollten, als Arieke hinter mir aufseufzte: Ein platter Reifen.

Ich empfahl, die Räder erst einmal zum Gasthaus zu schieben. Während Arieke das Gepäck ihres Rades abnahm, gab ich schon mal den Wunsch nach einem Radler - hier Alsterwasser genannt - durch. Als ich Rad und Flickzeug hatte, stand auch das Glas auf dem nächstgelegenen Tisch. Ich holte mir das Getränk, was Arieke, die die Bestellung nicht mitbekommen hatte, zunächst etwas irritierte und setzte mich auf eine kleine Mauer.

Ja, so machte selbst Schlauchflicken Spaß: Eine idyllische Bootsanlegestelle, ruhig im Wasser schaukelnde Kähne, Sonnenschein und weiße Wolken, ein Platz im Schatten, was Gutes zu trinken und ein einfaches, klares Löchlein.

Hildegard hatte inzwischen die Speisekarte studiert, und wir verlängerten unseren Aufenthalt um ein ausgiebiges Mittagessen für uns vier. Nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatte, kam eine Frau aus der Küche und schuppte auf dem Steg, an dem ich gerade noch gearbeitet hatte, einen großen Fisch. Unsere Mahlzeit würde also wirklich frisch zubreitet sein. Entsprechend lecker schmeckte es dann auch.

Danach fuhren wir praktisch ohne Pause bis Gingst durch. Dort sollte der "Haidhof" Campingmöglichkeiten bieten. Zwar war das kleine Areal praktisch voll, doch wir wurden durch einen kleinen Durchgang in einer Hecke geführt und hatten plötzlich eine ganze Wiese für uns. Wunderbar!

Einsam Zelten - und doch nicht allein
© Arieke de Kovel
Phantastischer Himmel vor dem Zelt - auf einem eigentlich überfüllten Platz
Ludwig hatte im Laufe der letzten Tage etwas Neues erlernt: Er konnte umherkrabbeln und dabei ein Spielzeug in der Hand mitnehmen. Arieke bemerkte diese neue Fähigkeit recht deutlich. Hatte er bis dahin während des Zeltaufbaus immer friedlich mit den Heringen gespielt, so gelang es ihm jetzt in unglaublich kurzer Zeit, alle Heringe über ein erstaunlich großes Gebiet zu verteilen. Arieke mußte wohl oder übel die Wiese absuchen, sollte ihr Zelt noch genügend Halt finden.

Wir fühlten uns noch gar nicht müde und brachen zu einer Abendrunde über Ummanz auf. Auf der Insel sind die meisten Wege mit Betonplatten belegt, jene Sorte, die das Fahren mit Anhänger sehr erschwert. Wir hatten zwar unser Essen mit, fanden aber keinen Platz, an dem die Lust auf ein Picknick groß genug war.

Zurück auf dem Zeltplatz schien uns das gemeinsame Essen auch nicht so attraktiv, weil sich eine Menge Mücken aus der angrenzenden Hecke voller Begeisterung auf uns stürzte. Wir vertilgten einfach den Rest des gewaltigen Kuchenpaketes, das Arieke in Wiek erstanden hatte und gingen schlafen.

Der Kreis schließt sich

Freitag, 27. Juli 2001

Wieder einmal hieß es Sachen packen. Zum vorletzen Mal, leider. Wir erstanden noch eine Schale Kirschen - diesmal kannten wir also sogar den Baum persönlich, denn es wurde gerade Nachschub gepflückt. Dann fuhren wir weiter und riskierten die Route auf der ausgeschilderten Rügenrundtour.

Kirche Landow
© Hildegard Geisler
Die Kirche von Landow - gerade noch vor dem Verfall bewahrt.
Die Karte verbreitete zu viel Optimismus. Mehrere Kilometer liefen über üble Sandwege und anstrengende Betonplatten. Eine kleine Kirche überraschte uns in Landow mit Kunstwerken, die wir hier nicht vermutet hätten. Das baufällige, notdürftig sanierte Gemäuer wird wieder für Konzerte genutzt, nachdem man es für einige Jahre schon aufgegeben hatte. Wieviele Kirchen hätte man sanieren können, wäre die Frauenkirche als Ruine ein Denkmal gegen sinnlose Zerstörung geblieben?

Vor Rambin wurden die Wege zum Ausgleich besser als angekündigt, wurden dafür auch von der Dorfjugend als Rennstrecke genutzt. Wir pausierten in der Nähe des ehemaligen Klosters. Ich machte mich auf die Suche nach einer Einkaufsmöglichkeit und stieß auf einen "Landmarkt" mit Backshop. Dem Backshop kaufte ich den letzten Negerkuß weg, Kuchen gab es schon gar nicht mehr. Die leeren Regale wirkten wenig einladend, fast schien es, als ob hier ein Dutzend Jahre nichts passiert wäre. Nur die Produktnamen waren früher garantiert nicht hier zu finden.

Das letzte Stück nach Altefähr war fast schon vertraut, ein Stück hatten wir am Anfang unseres Urlaubes zu Fuß erkundet. Doch wie hatte sich der Platz verändert: Alle Flächen waren belegt! So viele Gäste hätten sie noch nie gehabt, erklärte uns der Platzwart. Für uns fand sich noch ein Fleckchen auf der Trekkerwiese. Doch diesmal waren unsere Nachbarn deutlich ortsfester, nicht die umherziehenden Leute, wie wir sie vor drei Wochen hier gefunden hatten.

Ein Stück weiter befand sich nun ein Zeltlager, das den Eindruck eines Schlachtfeldes verbreitete. Auf der Wiese lagen Handtücher, Schlüpfer, Schuhe und vieles mehr in wildem Durcheinander, die Zelte sahen nicht anders aus. Wir bahnten uns einen Weg durch das Chaos zu den Toiletten, die die Nutzung durch die Teenager auch nur schwer verkrafteten.

Arieke und Hildegard fuhren nach Stralsund, denn wir benötigten noch Reservierungen für die Heimfahrt. Ich spazierte mit Ludwig an den Strand, wo ich auf ein Mädchen in etwa seinem Alter traf. Die Familie kam aus Amsterdam, hatte sich schon eine Woche auf der Mecklenburger Seenplatte erholt und wollte nun hier ein paar ruhige Tage verbringen. Rügen war in diesen Tagen allerdings nicht die ruhigste Stelle, zumal die Rennboot-Weltmeisterschaften in den nächsten Tagen unzählige Fans nach Stralsund locken würden.

Ich zeigte Ludwig noch den Hafen, genehmigte uns in der Kneipe ein Bier respektive Wasser und traf am Zelt auf Arieke und Hildegard, die mit mäßigem Erfolg zurückgekehrt waren. Liege- oder Schlafwagenplätze für Arieke gab es keine mehr, und für unseren Zug nach Chemnitz waren die Fahrradplätze ausgebucht. Arieke würde sich also die Nacht auf einem normalen Platz um die Ohren schlagen müssen, und uns standen mehrfache knappe Umsteigeaktionen bevor.

Doch das sollte uns jetzt nicht ärgern, wir feierten Ariekes letzten Abend mit uns in der "Achter Kajüte", deren gute Küche wir schon kannten.

Abschied

Sonnabend, 28. Juli 2001

Klosterhof Stralsund
© Arieke de Kovel
Gegenüber dem Stralsunder Kloster befindet sich ein idyllischer Hof.
Heute würde Arieke abreisen. Sie packte ihre Sachen und nahm das Rad mit, während wir sie zu Fuß mit leichtem Gepäck zum Hafen begleiteten. Die Fähre brachte uns nach Stralsund, und wir bummelten lange durch die Stadt, entwickelten aber keine rechte Kauflust.

Im Torwächterhaus gab es einen großen Salat - mehr Mittagessen war bei der Hitze nicht nötig. Die Terasse war ringsum von Mauern begrenzt, weswegen Ludwig herumkrabbeln konnte. Er entdeckte natürlich als erstes die Tür zur Gaststube und versuchte, in die Küche zu kommen, bevor wir es bemerkten.

Schließlich kehrten wir noch in einem Eiskaffee ein, daß sich besonders durch einen wunderbaren Springbrunnen auszeichnete. Es sprangen bereits einige Kinder im Wasser umher, also zogen wir Ludwig aus, damit er auch plantschen konnte. Das tat er eine Zeitlang mit Vergnügen und begann dann einen Bummel durch die Fußgängerzone. Am nassen Kind haftete der Straßenstaub hervorragend, so daß wir immer wieder ein kohlrabenschwarzes Baby einsammeln mußten.

Rathaus Stralsund
© Arieke de Kovel
Das Rathaus - dominierend und markant
Irgendwann hatten Ludwig und wir genug, und nach einer letzten Spülung im Springbrunnen wurde er wieder angezogen. Wir schlenderten zum Bahnhof, verabschiedeten uns von Arieke und mußten uns dann etwas beeilen, die letzte Fähre nach Altefähr zu erreichen.

Dort nahmen wir ein letztes Bad in der Ostsee, die auch hier noch vertretbar sauber war, aber natürlich nicht so schön wie in Dranske. Schlick und Seetang säumten das Ufer, und nur wenige Meter Sand boten Ludwig eine angenehme Spielfläche.

Auf dem Zeltplatz hatte ein Fischer den Räucherofen gefüllt und versorgte nun die Camper mit frischgeräuchertem Fisch. Wir testeten Dornfisch, den es nur ganz wenige Wochen im Jahr gibt, der aber auch recht trocken war. Ein einzelner Radler traf ein, der in der Hitze des Tages nicht mehr weiterfahren wollte und das letzte Stück zur Ostsee dann doch per Eisenbahn zurückgelegt hatte. Wenn man knapp am Rentenalter ist, ist das sicher eine kluge Entscheidung.

Gemeinsam setzten wir uns vor's Zelt und plauderten noch bis in die Dunkelheit. Unser Urlaub endete, er brach gerade zu einer Rügenrunde auf. Es war wie vor drei Wochen, nur hatten sich die Rollen vertauscht: Jetzt waren wir die jungen Leute, die nun nach Hause fuhren.

Heimfahrt

Sonntag, 29. Juli 2001

Nachts ging ein gewaltiger Gewitterguß nieder. Sollten wir am letzten Tag das Zelt naß einpacken müssen? Wir mußten zeitig raus, hatten also keine Zeit zum Trocknen.

Früh schien aber schon wieder die Sonne, und nachdem wir etwas mit einem Lappen nachgeholfen hatten, trocknete der Stoff schnell. Wir verzichteten auf das Frühstück, dafür hatten wir im Zug noch genug Zeit.

Unsere Nachbarn waren ebenfalls schon wach, wir verabschiedeten uns herzlich. Sogar jene Zelter, die in der vergangenen Nacht noch weit nach Mitternacht lautstark gefeiert hatten, diesmal aber sehr ruhig waren, standen früh auf und betrachteten ihr im Regen zusammengesunkenes Zelt. Satzfetzen klangen herüber: Wer hat meine Schuhe draußen stehen lassen? Ih, wieso ist hier alles naß? Wo ist denn mein Schlafsack geblieben?"

An der Rezeption erfuhren wir, daß der Regenguß uns sogar vor Schlimmerem bewahrt hatte: Eine Gruppe merkwürdiger Gestalten hatte den Zeltplatz aufgesucht. Zwei hatten zwar ein Zelt, der Rest kam über den Hintereingang. Das geplante Saufgelage, dem möglicherweise auch noch Randalierereien folgen sollten, fiel buchstäblich ins Wasser.

Wir fuhren über den Rügendamm zum Bahnhof und erreichten den Zug rechtzeitig. Es war ein Doppelstockzug, so daß wir den Anhänger unzerlegt hineinfuhren und ich erst im Zug alles reisefertig verpackte. Mit Verspätung fuhren wir los, kamen aber halbwegs pünktlich in Berlin an. Ludwig fand sofort neue Freunde, eine Gruppe Jugendlicher auf der Heimreise, die sich für das "niedliche Baby" begeisterten.

In Berlin Ostbahnhof transportierten wir Räder und Anhänger zum Bahnsteig, von dem der Interregio abfahren sollte, für den wir keine Reservierung mehr bekommen hatten. Vielleicht kamen wir ja doch noch mit? Wir würden mehrfaches Umsteigen sparen und weit über eine Stunde früher ankommen.

Es war ziemlich schnell klar, wieso keine Reservierung mehr zu bekommen war. Eine achtköpfige Gruppe wollte samt Rädern nach Chemnitz fahren und belegte alle Plätze. Trotzdem! Einen Versuch war es wert. Der Zug kam ein paar Minuten früher an den Bahnsteig, und ich stürmte zur Zugbegleiterin. Es fand gerade Personalwechsel statt. Die alte Belegschaft verwies mich an die neue. "Wenn die anderen nichts dagegen haben, bitte!" sagte jemand. "Ich muß mir das erst einmal anschauen," sagte die neue Zugbegleiterin. Das war nun alles nicht so eindeutig.

Ich rannte zurück. "Wenn ihr nichts dagegen habt, dürfen wir mit" rief ich der Gruppe zu. Ohne zögern packten ein paar Leute unsere Räder und hoben sie in den Zug. Den zusammengelegten Anhänger stellte ich in den allerletzten Gang, wo er niemandem im Weg war. Tatsächlich paßten mit etwas gutem Willen alle Räder in das Abteil, und man konnte auch noch gut vorbeilaufen.

Ich wanderte zum Zugführer und schilderte die Situation. Wir brauchten ja nun auch noch Fahrkarten, denn von Stralsund waren wir mit dem Wochenendticket gekommen. "Wenn die Fluchtwege frei sind, ist es ja ok," lautete das abschließende Statement. So waren alle zufrieden, sogar wir mit der Bahn. Wir kauften noch reguläre Fahrkarten und waren sehr froh, zeitig nach Hause zu kommen. Unsere Ausrüstung hat die Reise gut überstanden. Eigentlich hätten wir noch länger unterwegs sein können. Wenn man sich einmal an das unstete Leben gewöhnt hat, ist es erstaunlich, wie weit die ursprünglich für drei Wochen geplanten Utensilien tatsächlich reichen.

Ohne weitere Probleme oder Zwischenfälle gelangten wir nach Chemnitz und fuhren heim in unsere Wohnung.

Resumee

Urlaub mit Kind stellte sich als unproblematisch heraus. Natürlich hatten wir großes Glück - nur einen Regentag gab es in den drei Wochen. Ludwig hatte nach etwa einer Woche gelernt, daß das Zelt sein neues Zuhause war. Er freute sich, daß Mama und Papa so dicht bei ihm schliefen und den ganzen Tag Zeit für ihn hatten.

Ludwigs Regensachen hatten sich sehr bewährt, die würden wir auf allen weiteren Reisen mitnehmen. Auch der Anhänger erfüllte unsere Erwartungen voll und ganz. Daß das Ventil eines Schlauches nicht mehr mitspielen wollte, fällt in die Kategorie kleinerer Probleme.

Ludwig erleichterte das Reisen ungemein, indem er auf Babynahrung verzichtete und stets von unseren Tellern mitessen wollte. Außerdem verschaffte er sich mit seinem strahlenden Lächeln viele Freunde, die sich begeistert um ihn kümmerten.

Die vielen Kinderanhänger auf Bornholm zeigten, daß Fahrradreisen mit Kind nichts besonderes sind. Wir werden wohl auch im kommenden Jahr wieder mit Rad und Anhänger losziehen - aber wohin?


Ralph, Ludwig, Hildegard
© Arieke de Kovel
Ralph Sontag, Hildegard Geisler und Ludwig, August 2001