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Flaming

Diesen Artikel gibt's auch in: Pl@net, Ausgabe 1, November 1995

Der Ziff-Verlag stellte diesen Artikel seinerzeit freundlicherweise uns HTML-Freaks zur Verfügung, die ein elektronisches Magazin planten, aus dem dann aber doch nichts wurde...

In diesem Artikel geht es nur um eines, um Verbalinjurien der schärfsten Sorte. Im Cyberspace gibt es dafür einen eigenen Namen und spezielle Foren: "Flaming" ist eine Kunst, die sich nicht jedermann erschließt.

"HELLO? ANY BRAIN CELLS IN THAT EMPTY SPACE YOU CALL YOUR SKULL??"

"You sad fuck. You dismal loser. You Yank - Gus"

"Sorry Sir, but did you just reach the limit of your vocabulary?"

"Wer bedient eigentlich Deinen Newsreader für Dich? Kann es sein, daß Du ein Mitarbeiter der Telekom bist?"

"Zum Trost: Man kann auch ohne einen Funken Intelligenz reich und berühmt werden."

"Was willst du sabbernder Depp schon wieder hier??? Ich hatte eigentlich gehofft, von deinen Idiotien wenigstens für kurze Zeit verschont zu bleiben !!!"

"Still waiting for you to answer at least six different posts, chickenshit. Gonna answer, or run?"

"Warning: REALITY.SYS may be corrupt. Reboot universe (y/n)?"

"Das Pferd frißt keinen Gurkensalat." Mit diesem Satz soll DFÜ-Pionier Samuel Morse seinen Telegraphen auf Funktionstauglichkeit gecheckt haben. Die ersten Worte, die jemals von einem Modem übertragen wurden, sind dagegen nicht überliefert. Datenhistoriker tippen jedoch auf "Friß Deinen blöden Salat doch selber!" oder schlicht "RTFM" - Read the Fucking Manual, Du Idiot am anderen Ende der Leitung, und laß mich damit in Ruhe!

Falls diese Annahmen stimmen, dann hat sich die Kommunikationskultur in den Datennetzen seither tatsächlich bedeutend weiterentwickelt: Von plumpen Beleidigungen zu raffiniertem Psychoterror, der den Gegner so demoralisieren kann, daß er von selbst um seine Einweisung in eine geschlossene Anstalt ersuchen wird.

Flames, das sind die Keulen des Cyberspace. Die beste und einzige Waffe, sich durchzusetzen in der Anarchie der Netze. Gebrauche sie richtig, und Du bist der King. Netiquette? Nie gehört. Es gilt das Recht des Stärkeren. In einer Welt, in der Du weder Gesicht noch Stimme hast, zählen nur Syntax, Wortwahl und Orthographie. Und wer nicht will, daß seine Texte untergehen im Meer der Messages, das sich Tag für Tag über die Newsserver des Usenet ergießt, der muß eben zusehen, daß er auffällt zwischen all den staubtrockenen Infojunkies, selbstverliebten Quasselstrippen und Langweilern.

Davon abgesehen ist Flaming natürlich ein intellektuelles Vergnügen ganz besonderer Art. Allein sich auszumalen, wie der Adressat der brilliant formulierten Niedermache vor Wut in die Tastatur beißt und sich am nächsten Tag aus Angst vor neuen Angriffen nicht einmal mehr traut, seinen Rechner einzuschalten - da lacht das Flamer-Herz.

Gelegenheit, den Flammenwerfer auszupacken, gibt es mehr als genug. Die Newsgroups sind schließlich voll von naiven, sachlich falschen oder gar beleidigenden Messages, die nach einer passenden Antwort verlangen (siehe auch links). Natürlich sind nicht alle ihre Verfasser würdige Gegner, aber jede Flame ist eine gute Gelegenheit, dem Rest des Netzes zu zeigen, wer hier der Boss ist.

Ein guter Anfang ist immer ein langes, wohlüberlegtes Posting, am besten zu einem politischen oder ethischen Thema, in das der Autor offensichtlich viel Mühe gesteckt hat. Dieses zitiere man vollständig und schreibe kurz "Völliger Blödsinn!" darunter. Entweder erhält man als Antwort ein "Wieso?" und eine wiederholte Darlegung der Argumente - womit der andere schon verloren hat und sich weitere Flames erübrigen. Oder er geht zum Gegenangriff über, stellt Mutmaßungen über Intelligenzquotienten oder Kinderstube des Angreifenden an, und schon ist man mitten drin in einem wunderbaren Flame-War.

Das wichtigste am Flaming ist die Sprache. Die ideale Wortwahl mag von Gegner zu Gegner unterschiedlich sein, und in manchen Fällen sind elegant konstruierte Schimpfkanonaden schon der Schlüssel zum Erfolg. Sollte man es aber mit einer intelligenteren Lebensform als Fliegendreck zu tun haben, ist ein möglichst hohes Sprachniveau die sicherste Waffe. Flaming-Experten wie der Amerikaner Chris Rolleston empfehlen deshalb den massiven Einsatz von Fremdsprachen, insbesondere des Lateinischen. Ein lässig eingestreutes "ad hominem" ist schon eo ipso ein Gewinnpunkt. Allerdings: Umgeben von wohlselektierten Fachtermini entbehrt auch ein adäquat positioniertes "Du Sau!" nicht einer gewissen Wirkung.

"Ich bin perfekt, der andere ist ein Depp." Wenn man nach dieser ausgefeilten Grundstrategie vorgeht, ergibt sich alles weitere meist von selbst. Zum Beispiel, daß es immer ratsam ist, die eigene Autorität zu untermauern, etwa in dem man als Zeugen für seine Position befreundete Insider aus dem Bundestag, dem Innenministerium oder der Geschäftsführung von Microsoft heranzieht. Oder indem man aus seiner eigenen Doktorarbeit - besser noch: Habilitationsschrift - zitiert (die ja schon sooo lange zurückliegt). Vorsicht: Akademisch versierte Flamer sind in der Lage, so etwas nachzuprüfen.

Umgekehrt gilt selbstverständlich: Kein Argument des anderen wird anerkannt, das nicht bis ins kleinste Detail belegt wurde. Und selbstverständlich sind sämtliche Belege, die der andere vorbringt, gefälscht! Über kurz oder lang, wird er erkennen, daß er so nicht mal seine eigene Existenz nicht beweisen kann. Dieses Paradoxon macht ihn fertig. (Vorausgesetzt, er weiß überhaupt, was ein Paradoxon ist.)

Falls sachlich wirklich einmal nichts mehr zu machen ist (zum Beispiel weil der Gegner von zu vielen anderen Usern Unterstützung erfährt), dann heißt es: Nebenkriegsschauplätze eröffnen. Dort kann man auf die peinliche Rechtschreibfehler verweisen, oder auf technische Unzulänglichkeiten wie falsch konfigurierte Newsreader und unleserliche Umlaute. Und schließlich läßt sich immer noch der Argumentationsstil kritisieren. Im Zweifelsfall ist die Diskussionsstrategie des anderen faschistoid!

Wer hartnäckig genug ist, alle Skrupel beiseite schiebt und sich einen Dreck darum schert, ob er bei der Netzgemeinde beliebt ist oder nicht, der hat beste Chancen, jeden Flame-War zu gewinnen - und ist dann geachtet und gefürchtet, was sowieso weitaus besser ist.

Als Trainingsgelände für Neueinsteiger empfehlen sich übrigens spezielle Newsgroups wie alt.flame oder de.alt.flame - Reservate, in denen man auf lauter Masochisten trifft, die richtiggehend heiß auf Flames sind. Auf Dauer also eine ziemlich langweilige Angelegenheit - und nur etwas für Feiglinge.


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© 1997  Stefan Münz, s.muenz@euromail.com