Ein kalter Eiswind ließ die Welt in dieser Novembernacht erstarren und nur die Schneeflocken tanzten durch die Dunkelheit. Doch halt, etwas regte sich zu dieser frostigen Stunde in einem kleinen Städtchen namens Glauchau. Ein gar düster gekleidetes Völkchen strömte in die Gemäuer der Alten Spinnerei, um sich gar höllischer Musik hinzugeben. Man munkelte etwas von SAMAEL und tatsächlich hatten sich alle für die Schweizer versammelt.
Doch erst galt es noch ein Hürde zu meistern: den Auftritt der FLOWING TEARS. Im Laufe der Tour als Supportact von SAMAEL hatte sich für die Saarländer schnell herauskristallisiert, dass weiblicher Gesang bei den SAMAEL-Jüngern nicht besonders hoch im Kurs steht und dass diese Meinung auch gern laut und offenherzig bekundet wird. Ein recht schwerer Stand, den ich zwar für ungerechtfertigt halte, denn die charismatische Frontfrau Helen Vogt kann nicht nur schön dahersingen, sondern auch mal ordentliche Crowls von sich geben, die sich gewaschen haben und zum Beispiel „Merlin“ zu einem wahren Ohrenschmaus machen. Schade nur, dass FLOWING TEARS ihr Licht schon von vorn herein unter den Scheffel gestellten und nur mit schlechten Witzen und verbitterter Selbstironie auf sich aufmerksam machten.
Die eisige Distanz mit Galgenhumor zu überspielen, ging definitiv nach hinten los, denn Helen redete sich von Überleitung zu Überleitung um Kopf und Kragen. Andererseits sind die „Ausziehn“-Rufe aus den versteckten hinteren Reihen bei „Undying“ auch nicht gerade nett und völlig überflüssig gewesen. Fest steht, dass in den 45 Minuten wohl kaum einer in der Alten Spinnerei richtig Spaß hatte. FLOWING TEARS hatten es einem, sagen wir mal, widerspenstigen Publikum Recht zu machen, was eine schier unlösbare Aufgabe zu sein schien. Das Publikum, dem die Musik der FLOWING TEARS zu soft war, mussten den Auftritt gnadenlos über sich ergehen lassen, denn um die Vorband führte nun mal kein Weg vorbei zu SAMAEL, es sei denn man beherrschte das Timing einfach später anzureisen. Und seien wir mal ehrlich, FLOWING TEARS sind keine Unbekannten, von denen man bisher noch nichts gehört hat und nicht weiß, worauf man sich bei ihrer Musik einlässt.
SAMAEL schien das ganze Gezeter im Vorfeld nicht zu interessieren. Sie kamen auf die Bühne, spielten ihr Set und verabschiedeten sich danach kurz und schmerzlos. Aber halt, so einfach irgendein Gig war es dann doch nicht. Schon ihr aktuelles Album „Reign Of Light“ hatte große Klasse bewiesen und war auf mehr als nur gute Kritiken gestoßen. Dieselbe diabolischen Akribie, mit der das fünfte Meisterwerk von Texter und Frontmann Vorph und Co. umgesetzt worden war, stellten SAMAEL mir ihrer Bühnenperformance unter Beweis. Sound und Optik perfekt auf einander abgestimmt, ohne dabei durch zu viel Schnickschnack vom Wesentlichen abzulenken, konzentrierten sie sich hauptsächlich auf ihre Musik. Kraftvoll, mystisch, teuflisch gut und dabei doch sachlich und nüchtern. Kein Small Talk, keine Späßchen, damit auch ja nichts und gar nichts die Atmosphäre der Songs zerstören konnte. Ein knappes „Danke“ war das höchste der Gefühle, ansonsten wirkten lediglich die Songs in perfekt ausgeklügelter Verbindung mit den Eindrücken auf den beiden Leinwänden, die dort platziert waren, wo sich andere Bands normalerweise mit einem Banner selbst loben. Scheinbar wahllos hingeworfene Eindrücke für das Auge, niemals statisch, immer von Bewegung bestimmt, einmal atemberaubend schnelle Sternenreise, im nächsten Augenblick Keyboarder Xy vergrößert in energiegeladener Aktion, ein andermal…ach was…kommen wir mal zum Wesentlichen zurück, der Musik.
Zu Freude vieler Fans und zu meiner Überraschung stiegen SAMAEL nicht mit einem neuen Song in ihr Set ein, sondern mit „Rain“. Auch gut und nicht schlecht, wenn man sich lange nicht hat auf den Bühnen dieser Welt hat blicken lassen. So ist jedenfalls schnell das Eis gebrochen. Mit noch einem weiteren Titel aus vergangenen Tagen sorgten SAMAEL für noch ein bisschen mehr Vertrautheit, bevor es mit „Inch‘Allah“ und „On Earth“ an neues Material heranging, das jedoch genauso gut aufgenommen wurde wie die beiden Songs zuvor. Der Reigen der neuer Titel, zu dem natürlich auch „Reign Of Light“ und später „High Above“ zählte, wurde immer wieder durch Exkurse in die vergangenen Alben unterbrochen. Zu drei Zugaben, wozu unter anderem mein Favorit „Moongate“ gehörte, ließen sich die Schweizern zu guter Letzt noch hinreißen. Dann verschwanden die vier unter Beifallsbekundungen von der Bühne. Wirklich kurz und schmerzlos, jedoch keinesfalls ernüchternd, sondern beeindruckend.
Hinauszugehen hieß es nun wieder in die eisige Nacht, in der sich nicht wenige aber auch nicht ernsthaft viele in das kleine Städtchen namens Glauchau verirrt hatten, um jenes eindrucksvolle Konzert von SAMAEL zu erleben.
INMORTUA