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Aufgabensammlung Experimentalphysik

Dr. Herbert Schletter

Der „Kirchenflug“ von Limbach-Oberfrohna

Aufgabenstellung

Am 25. Januar 2009 ereignete sich in Limbach-Oberfrohna ein spektakulärer Unfall: Ein Auto kam mit hoher Geschwindigkeit von der Straße ab und raste eine Böschung hinauf, die in diesem Moment wie eine Sprungschanze fungierte. Vom Ende der Böschung flog das Fahrzeug durch die Luft und landete schließlich im Dach der Kirche. Das Auto verschwand dabei fast vollständig zwischen dem Gebälk des Dachstuhls. Spektakulär ist der Unfall auch deshalb, weil der Fahrer zwar schwer verletzt aber ohne bleibende Schäden den Unfall überlebte.

Aus den zahlreichen Medienberichten über diesen Unfal war zu entnehmen, dass der Flug eine Weite von 35~\mathrm m überspannte und in einer Höhe von circa 6~\mathrm m endete. Der Steigungswinkel der Böschung wird mit 17° angenommen. Berechnen Sie daraus die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu Beginn des Flugs.

Hinweis: Die Zahlen in der Aufgabenstellung wurden überwiegend den Medienberichten entnommen beziehunsgweise aus den dortigen Angaben hergeleitet. Teilweise fanden sich unterschiedliche Angabe zur Höhe des Aufschlagpunkts. Insofern ist diese Aufgabe eine Anlehnung an den tatsächlichen Unfallhergang. Sie erhebt jedoch nicht den Anspruch, eine detaillierte Rekonstruktion darzustellen.

Lösung

Physikalisch betrachtet handelt es sich bei diesem Vorgang um einen schrägen Wurf. Beschrieben wird dieser in einem zweidimensionalen \begin{pmatrix} x \\ h \end{pmatrix}-Koordinatensystem, bei dem der Abwurfpunkt (also der Beginn des Flugs) im Koordinatenursprung liegt. Gemäß dem Superpositionsprinzip der Bewegung können für x- und h-Komponente getrennt die zeitlichen Verläufe aufgestellt werden:

\begin{aligned} x(t) & = v_0 \cos\alpha t \\ h(t) & = -\frac g2t^2 + v_0\sin\alpha t \, . \end{aligned}

Der Winkel \alpha bezeichnet dabei den Steigungswinkel der Böschung.

Da in der Aufgabenstellung keine Angaben zur Flugzeit gegeben sind, sondern lediglich der Auftreffpunkt bezeichnet ist. Muss die Formel der Bahnkurve h(x) aufgestellt werden. Man ergält sie aus den zeitlichen Verläufen, indem zunächst die x(t)-Formel nach t umgestellt wird:

t = \frac{x}{v_0 \cos\alpha} \, .

Eingesetzt in die Formel für die Höhe h folgt daraus der h(x)-Zusammenhang:

\begin{aligned} h(x) & = - \frac g2 \frac{x^2}{v_0^2 \cos^2\alpha} + v_0\sin\alpha\frac{x}{v_0\cos\alpha} \\ & = -\frac{g}{2v_0^2\cos^2\alpha} x^2 + \tan\alpha x \, . \end{aligned}

Diese Gleichung wird nach der gesuchten Anfangsgeschwindigkeit umgestellt:

\begin{aligned} \frac{g x^2}{2 v_0^2 \cos^2\alpha} & = \tan\alpha - h \\ v_0^2 & = \frac{g x^2}{2 \cos^2\alpha \left( \tan\alpha -h \right)} \\ & = \frac{g x^2}{\sin( 2\alpha ) x - \left( 1+\cos(2\alpha) \right) h} \\ v_0 & = \sqrt{\frac{g x^2}{\sin( 2\alpha ) x - \left( 1+\cos(2\alpha) \right) h}} \end{aligned}

Mit dem Auftreffpunkt \begin{pmatrix} x_0 \\ h_0 \end{pmatrix} = \begin{pmatrix} 35~\mathrm m \\ 6~\mathrm m \end{pmatrix} und dem Abwurfwinkel \alpha = 17° ergibt sich die Geschwindigkeit

v_0 = 37{,}4~\frac{\mathrm m}{\mathrm s} = 135~\frac{\mathrm{km}}{\mathrm h}\, .

Hinweis: Wie den Medienberichten zu entnehmen war, wurde im Unfallgutachten eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs von 139~\frac{\mathrm{km}}{\mathrm h} ermittelt.