Die Prüfungsordnung gliedert die Trainingsinhalte in der Entwicklung eines Karatekas vom
Anfänger bis zum Meister und die Prüfungskriterien zu den verschiedenen Schüler- und
Meisterprüfungen. Durch langfristiges und beständiges Training soll der Übende, gleichzeitig mit
der körperlichen Ausbildung, den verantwortungsbewussten Umgang mit Partnern im Karate
erlernen. Dazu dienen die Regeln und Etikette des Karate-Dō, die unverzichtbarer Bestandteil
des traditionellen Shōtōkan-Karate wie auch dieser Prüfungsordnung sind.
Die unterschiedlichen Übungsformen von Grundschule, Partnertraining und Kata bieten dem
Karateka eine solide Ausgangsbasis für das breite Spektrum des Karate.
In der Prüfungsordnung wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit auf das Hinzufügen von
weiblichen Endungen verzichtet. Entsprechende Begriffe sind nicht geschlechtsspezifisch
gemeint.
Die Prüfungsordnung ist in vier Gruppen aufgeteilt. In jeder Gruppe werden besondere
Schwerpunkte in der Ausbildung gesetzt. Es sind dies:
Unterstufe 9. - 7. Kyū
In der Unterstufe erlernt der Prüfling die Grundform der einzelnen Techniken. Den Abschluss
dieser Stufe bildet der 7. Kyū, der den Übergang zur Mittelstufe vorbereiten soll.
Prüfer und Prüfling achten vor allem auf sichere Stände, korrekte Techniken und
Ausholbewegungen. Die aufrechte Haltung des Oberkörpers ist ein wichtiges Merkmal. Die
Prüflinge zum 7. Kyū müssen bereits gute Ansätze von innerer und äußerer Spannung zeigen.
Im Kumite und im Kumite aus Kamae sind die kontrollierte Ausführung der Techniken und die
richtige Distanz beider Partner besonders zu beachten.
In der Kata sind sowohl korrekte Abläufe, die beim 7. Kyū bereits Rhythmus erkennen lassen, als
auch ein Verständnis der Hintergründe der Techniken in der Kata gefordert.
Die Selbstverteidigung ist ein natürlicher Bestandteil des Karate. Das Erlernen der Sportart soll
den Karateka zur Selbstbehauptung und zur Selbstverteidigung befähigen. Dieses Lernziel muss
bei der Ausbildung berücksichtigt werden, wird jedoch nicht als zu prüfender Teil in die
Prüfungsordnung aufgenommen.
Mittelstufe 6. - 4. Kyū
Die Grundtechniken, die jetzt häufig in Kombinationen gezeigt werden, sollen sich von der
Grundform zur Feinform entwickeln.
Bei der Ausführung der Kombinationen ist wichtig, dass sich die Qualität der Einzeltechnik nicht
verschlechtern darf. Besonderer Wert wird auf folgende Merkmale gelegt: Bewegungsrhythmus,
bewusster Hüfteinsatz, Standfestigkeit, Atemtechnik und Kime.
Im Kumite und im Kumite aus Kamae müssen sich die technischen Fertigkeiten in Bewegungsvielfalt,
Kampfgeist und Kontrolle ausdrücken. Der Respekt vor der Gesundheit des Partners ist
einer der Eckpfeiler des fortgeschrittenen Karatekas!
In der Kata soll sich das weiter entwickelte Können des Prüflings sowohl im Verständnis (BUNKAI)
als auch in der Flüssigkeit (Rhythmus) des Vortrages zeigen. Alle bis zu der jeweiligen Graduierung
erlernten Katas gehören mit zum Prüfungsstoff.
Oberstufe 3. - 1. Kyū
Die Grundschule der Oberstufe zeichnet sich durch eine Vielzahl schwieriger Kombinationen
aus. Dabei ist Qualität in den Einzeltechniken, im Rhythmus in den Verbindungen, in
der Standfestigkeit und nicht zuletzt in der Ausdauer zu zeigen. Sie spiegelt den Fleiß und die
Intensität des Trainings wider.
Im Kumite wird sowohl das Jiyū-Ippon-Kumite als auch der Freie Kampf (Jiyū Kumite) geprüft.
Beides stellt höchste Anforderungen an den Prüfling.
Nur wer exakte Technik mit Kampfgeist und Kontrolle paart,
erfüllt die hier gesetzten Anforderungen.
Sieg oder Niederlage ist beim Jiyū Kumite nicht prüfungsentscheidend.
In der Kata und im Bunkai muss der Prüfling ein fortgeschrittenes Verständnis des
Zusammenhangs von Kata und sinnvollen Anwendungen zeigen können.
Alle bis zu der jeweiligen Graduierung erlernten Kata gehören in der Oberstufe
selbstverständlich mit zum Prüfungsstoff.
Dan-Grade
Dan sein heißt, Vorbild sein!
Bezogen auf die innere Reife, die sich auch in den Techniken ausdrückt, führt der Prüfling
seine Ausbildung fort.
In allen Prüfungsteilen muss der Prüfling eine vorbildliche Haltung und Ausführung zeigen
können, um sich als Meister gegenüber den Schülern deutlich zu unterscheiden.
Weitere Anmerkungen zu den Dan-Prüfungen siehe Seite 22.
Die folgenden Grundsätze sind bei den Prüfungen zu beachten:
Die körperlichen und altersbedingten Fähigkeiten in allen Altersstufen:
Kinder, Jugendliche, Erwachsene sowie Senioren, sind zu berücksichtigen.
Die Prüflinge sind für ihren körperlichen und gesundheitlichen
Zustand selbst verantwortlich.
Prüflinge mit nicht ausgeheilten Verletzungen, grippalen Infekten oder sonstigen
gesundheitlichen Einschränkungen am Tage der Prüfung
können an der Prüfung nicht teilnehmen.
Eine grundsätzliche Berücksichtigung in der Ausführung der Techniken für Menschen
mit Behinderung muss durch die Prüfer vorgenommen werden und wird erwartet.
Alle Keri-Techniken werden grundsätzlich (wenn nichts anders vorgeschrieben ist)
Jōdan ausgeführt.
Abweichungen auf Grund körperlicher Einschränkungen sind möglich.
Armtechniken werden grundsätzlich (wenn nichts anders vorgeschrieben ist) Chūdan ausgeführt.
Techniken und Kombinationen werden, wenn nichts anders vorgeschrieben ist, 5× gezeigt.
In den Kumiteteilen ist das „ZANSHIN“ ein wichtiges Kriterium.
Die Ausführung der Techniken richtet sich grundsätzlich nach dem Buch
“KARATE-DO” von M. Nakayama.
Sonstiges
Das Hinzuziehen eines Kampfrichters beim Jiyū-Kumite darf nur ordnenden
Charakter haben, eine Punktevergabe soll nicht erfolgen.
Ausrichter und Prüfer haben für einen “würdigen” Rahmen bei der Prüfung zu sorgen
(Kleidung usw.)
Legende zu Grundschule und Kumite
⇒
bedeutet
Technik mit einem Schritt vorwärts ausführen
⇐
bedeutet
Technik mit einem Schritt rückwärts ausführen
⇔
bedeutet
Technik mit einem Schritt seitwärts ausführen
/
bedeutet
nächste Technik ohne Schritt ausführen
/v
bedeutet
nächste Technik mit Schritt vorwärts ausführen
/r
bedeutet
nächste Technik mit Schritt rückwärts ausführen
ZK
bedeutet
Zenkutsu-Dachi
KK
bedeutet
Kōkutsu-Dachi
KB
bedeutet
Kiba-Dachi
NA
bedeutet
Neko-Ashi-Dachi
SD
bedeutet
Sōchin-Dachi
YA
bedeutet
Yori-Ashi Gleitbewegung (Schritt)
Wird bei einer neuen Technik keine andere Stellung angegeben, gilt die ursprüngliche Stellung.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Prüfungen immer Kihon, Kata und Kumite
in der jeweiligen Prüfung beinhalten müssen.
Zuwiderhandlungen können zur Ungültigkeitserklärung der Prüfung und zum Entzug der
Prüferlizenz des Prüfers führen.
9. Kyū (weißer Gürtel)
Kihon
1.
Shizentai
6 × Choku-Zuki
2.
Shizentai
6 × Age-Uke
3.
Shizentai
6 × Soto Ude-Uke (erneute Ausholbewegung nach dem Block)
4.
Shizentai
6 × Gedan-Barai
5.
Shizentai
6 × Mae Geri im Stand (Shizentai, rechts/links, Arme seitlich)
Kumite
Tori (Angreifer)
Uke (Verteidiger)
Ausgangsstellung
Shizentai
Shizentai
Bewegung
ohne (Technik im Stand)
ohne (Technik im Stand)
Ablauf
6 × Choku-Zuki Jōdan letzter Angriff mit Kiai
Age-Uke, nach dem letzten Block Konter Choku-Zuki mit Kiai
6 × Choku-Zuki Chūdan letzter Angriff mit Kiai
Soto Ude-Uke, nach dem letzten Block Konter Choku-Zuki mit Kiai
8. Kyū (gelber Gürtel)
Kihon
1.
ZK ⇒
5 × Oi-Zuki (Wendung)
2.
ZK ⇒
5 × Gyaku-Zuki
3.
ZK ⇐
5 × Age-Uke (Wendung)
4.
ZK ⇐
5 × Soto-Ude-Uke (Wendung)
5.
ZK ⇐
5 × Gedan-Barai (Wendung)
6.
KK ⇐
5 × Shutō-Uke
7.
ZK ⇒
5 × Mae-Geri-Keage Chūdan (Arme Chūdan-Kamae)
Kata: Heian Shodan
Kumite: Gohon-Kumite
Tori (Angreifer)
Uke (Verteidiger)
Ausgangsstellung
Gedan-Barai ZK
Shizentai
Bewegung
Schritt vor
Schritt zurück
Ablauf
Ausgangsstellung L V: 5 × Oi-Zuki Jōdan ⇒
Ausgangsstellung Shizentai: R. zurück. Age-Uke
Ausgangsstellung R V: 5 × Oi-Zuki Chūdan ⇒
L. zurück. Soto-Uke
Nach der 5. Abwehrtechnik wird G.-Zuki mit Kiai als Konter ausgeführt.
Anwendung: Es sind zwei Verteidigungs-Anwendungen mit Partner aus dem Kihon-
Programm und Bunkai aus der gewählten Kata zu zeigen.
Kumite: Jiyū-Ippon (alle Angriffe jeweils 2×)
Tori (Angreifer)
Uke (Verteidiger)
Ausgangsstellung
freie Seitenwahl aus Kamae
Bewegung
Schritt oder Yori-Ashi vor
frei
Ablauf
2 x Oi-Zuki Jōdan/Schritt (re/li)
Abwehr und Gegenangriff sind frei.
Es sind Yori-Ashi (Gleitbewegung) und Kai-Ashi (Schritt) zu zeigen.
Der Gegenangriff wird zu Kamae zurückgenommen.
2 x Kizami-Zuki, Yori-Ashi (re/li)
2 x Uraken / Gyaku-Zuki Chūdan, Yori-Ashi (re/li)
2 x Mawashi-Geri mit dem vorderen oder hinteren Bein (wahlweise nach Ansage) (re/li)
2 x Ushiro-Geri oder Ushiro-Ura-Mawashi-Geri (wahlweise nach Ansage) (re/li)
Jiyū-Kumite
Hinweise zur Prüfung der Dan-Grade
Kihon:
Im Kihon der Prüfungen ab 1. Dan wird bewusst auf eine größere Technikvielfalt verzichtet,
um den Schwerpunkt wieder auf die Einzeltechnik zu lenken. Liegt bei den Kyū-Prüfungen
der Schwerpunkt noch in der Technikvielfalt und dem Abdecken der stilbestimmenden
Techniken, soll der Prüfling nun zeigen, dass er die geforderten Kombinationen mit
erkennbar starkem Kime, Abschluss, Timing, korrekter Arm- Fußhaltung sowie
vollständigem Hüfteinsatz ausführen kann.
Auf diese genannten Anforderungen ist bei der Prüfung besonders zu achten!
Kata:
Neben der gewählten Tokui-Kata müssen auch die genannten Shitei Katas so gezeigt werden
können, dass die für das Kihon geforderten Kriterien erfüllt werden.
Verteidigungs-/Bunkai-Anwendungen:
Die vom Prüfling gezeigten Verteidigungs-/Bunkai-Anwendungen sind aus dem jeweiligen
Kihon bzw. der Tokui Kata frei wählbar. Der Prüfling soll demonstrieren, dass er die
gewählten Techniken/Kombinationen realitätsnah einsetzen/anwenden kann.
Kumite:
Im Jiyū-Ippon Kumite sowie im Jiyū Kumite soll der Prüfling zeigen, dass er die
geforderten/gewählten Techniken/Kombination mit dem richtigen Timing, der korrekten
Distanz und maximalem Kime sowie Schnelligkeit am Partner anbringen kann. Zum Schutz
des Partners ist darüber hinaus in jeder Situation die Kontrolle über die Technik zu wahren.
1. Dan
Kihon (aus Kamae)
1.
ZK ⇒
Sanbon-Zuki
2.
ZK ⇐
2 x Age-Uke / Gyaku-Zuki, 2 x Soto-Uke / Gyaku-Zuki
3.
ZK ⇒
2 x Mae-Geri, 2x Mawashi-Geri
4.
ZK ⇐
2 x Uchi-Uke / Gyaku-Zuki, 2 x Gedan-Barai / Gyaku-Zuki
5.
ZK ⇒
2 x Yoko-Geri Kekomi , 2x Ushiro-Geri
6.
KK ⇐
2 x Shutō-Uke / Nukite (ZK), 2 x Shutō-Uke / Gyaku Haito-Uchi (ZK)
7.
ZK ⇒
2 x Kizami / Gyaku-Zuki (2 x links, Seitenwechsel, 2 x rechts) (Wendung)
Kombinationen nach Ansage des Prüflings (siehe Kommentar unten)
5. - 7.
nach Wahl und Ansage der Prüfer
Kata
Tokui Kata
frei, nicht eine bisher gezeigte
1 Shitei Kata
Sōchin, Kanku-Shō, Gojushiho Shō, Jitte, Kanku Dai
Anwendung:
Es sind vier Verteidigungs-Anwendungen mit Partner aus dem Kihon-Programm und Bunkai aus der gewählten Tokui Kata zu zeigen.
Kumite
Jiyū Ippon Kumite nach Wahl und Ansage der Prüfer
Jiyū-Kumite
Kommentar zu Kihon 1.-4. Dem Prüfling soll die Gelegenheit gegeben werden, Techniken selbst zu wählen, die seine
Stärken innerhalb des Grundschulprogramms für den 3. Dan zeigen.
Es sind vier Verteidigungs-Anwendungen mit Partner aus dem Kihon-Programm und Bunkai aus der gewählten Tokui Kata zu zeigen.
Kumite
Jiyū Ippon Kumite nach Wahl und Ansage der Prüfer
Jiyū-Kumite
6. Dan
Kihon
6 × Kombinationen nach Wahl des Prüfers
Kata
Tokui Kata
Es sind zwei Katas nach eigener Wahl zu zeigen
Anwendung:
Es sind vier Verteidigungs-Anwendungen mit Partner aus dem Kihon-Programm und Bunkai aus der gewählten Tokui Kata zu zeigen.
Kumite
Formen nach Wahl des Prüflings
7. Dan
Kata
Tokui Kata
Es sind zwei Katas nach eigener Wahl zu zeigen
Anwendung:
Es ist das gesamte Bunkai der Tokui Kata zu zeigen.
8. Dan
Kata
Tokui Kata
Es ist eine Kata nach eigener Wahl zu zeigen
Anwendung:
Es ist das gesamte Bunkai der Tokui Kata zu zeigen.
Erstellung dieses A6-Heftchens:
Ausgangspunkt: www.tu-chemnitz.de/~heha/k/PO/PO-Shotokan-2020.htm.
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