Gyratoren
Mit Gyratoren lassen sich Impedanzen elektronisch nachbilden,
die real nur schwierig oder gar nicht herstellbar sind.
Gyrator zur Nachbildung einer realen Spule
Bekanntestes Beispiel ist die Nachbildung einer Spule
durch Inversion einer Kapazität.
So lassen sich problemlos sehr große Induktivitäten nachbilden,
die sich real gar nicht oder nur mit großem Aufwand
und Bauvolumen herstellen ließen.
Die u. a. Schaltung dürfte wohl die bekannteste,
einfachste und gebräuchlichste Nachbildung einer Spule sein.
Besonders beliebt ist ihr Einsatz in Grafik-Equalizern.

Der Widerstand Rs sollte einen Wert von einigen 100 Ohm nicht überschreiten,
da er direkt als Serienwiderstand in die Nachbildung der Spule eingeht.
Wesentlich kleiner sollte er aber auch nicht sein,
da sonst das Rauschen des OP-Amps zu sehr in Erscheinung tritt.
Genau genommen muss man der Nachbildung das RC-Glied R1/C1 parallel schalten.
Üblicherweise wird man diese Bauteile aber so hochohmig dimensionieren,
dass sie vernachlässigbar sind.
Gyrator zur Nachbildung einer idealen Spule
Interessant, wenn auch nur von begrenztem praktischen Nutzen,
ist ein Gyrator zur Nachbildung einer idealen Spule.
Die u. a. Schaltung habe ich vor ca. 30 Jahren
wegen technischen Interesse entwickelt,
bis heute aber noch keine wirklich nützliche Anwendung gefunden.
Sehr interessant ist die Nachbildung sehr großer Spulen
in Verbindung mit Schwingkreisen mit sehr niedriger Schwingfrequenz.
Solche Schwingkreise lassen sich anstoßen und schwingen dann fast
beliebig lange nach.
So lassen sich Schwingkreise mit sehr hoher Güte anschaulich darstellen.

Die nachgebildete Spule ist so ideal,
wie es die verwendeten Bauteile zulassen.
Durch Verwendung sehr hochwertiger Operationsverstärker
und eines verlustarmen Kondensators
kommt man der idealen Spule schon sehr nahe.
Im praktischen Einsatz ist darauf zu achten,
dass der Aussteuerungsbereich der Schaltung soweit begrenzt wird,
dass der spezifizierte Eingangsspannungsbereich der Operationsverstärker
nicht verlassen werden kann.
Ansonsten kann sich die Schaltung in
einem stabil-undefinierten Zustand „verfangen“.
Das ließe sich z. B. mit zwei antiseriell geschalteten Zenerdioden
parallel zur Spule realisieren.
R2 sollte nicht größer als R1 sein,
da sonst der Aussteuerbereich unnötig eingeschränkt wird.
Ein guter Kompromiss zwischen Aussteuerbarkeit und Rauschen dürfte
ein Verhältnis von R1 = 10 x R2 sein.
R4 muss so dimensioniert sein, dass der Spannungsabfall bei dem maximal
zu erwartende Spulenstrom kleiner bleibt als die Differenz
zwischen Aussteuerungsgrenze und Betriebsspannung.
Gyrator zur Nachbildung eines negativen Widerstandes
Nicht nur komplexe Widerstände können mit Gyratoren nachgebildet werden.
Auch reelle Widerstände lassen sich nachbilden,
was aber nur bei der Nachbildung eines negativen Widerstandes
durch Negierung eines realen Widerstandes sinnvoll ist.
Im Gegensatz zu Inversion (Kehrwertbildung) einer Kapazität
zur Nachbildung einer Induktivität
wird bei der reinen Negierung nur das Vorzeichen geändert.
Eine sinnvolle Anwendung wäre z. B. die unten angegebene
T-Verbindung von drei Koaxialkabeln.
Normalerweise bedeutet eine T-Verbindung oder Stichleitung
bei Koaxialkabeln eine erhebliche Fehlanpassung,
was zu Reflexionen des Nutzsignales führt.
Das führt zu Dämpfung des Nutzsignales und die Reflexionen
können dieses auch massiv stören (z. B. bei analogen Videosignalen).
Würde es gelingen, an der Verbindungsstelle dreier 75-Ohm-Koaxialkabel
einen weiteren negativen Widerstand von −75 Ohm parallel zu schalten,
würde einer der drei Wellenwiderstände vollständig kompensiert werden.
Jedes der drei Kabel würde an der Verbindungsstelle
einen angepassten Wellenwiderstand von 75 Ohm „sehen“.
Dementsprechend würde sich eine in einem der drei Kabel ankommende Welle
ungedämpft auf die jeweils anderen beiden Kabel verteilen.
Dies führt natürlich zu einer Verdopplung der Signalenergie.
Die dafür benötigte zusätzliche Energie
muss der negative Widerstand erbringen.
Ein negativer Widerstand kann daher prinzipbedingt kein passives Bauteil
sondern muss eine aktive Schaltung mit Energiezufuhr sein.
Natürlich könnte man einen negativen Widerstand auch mit einem
Operationsverstärker realisieren.
Bei Anwendungen mit Koaxialkabeln werden aber sehr häufig Bandbreiten
von mehreren 100 MHz bis in den GHz-Bereich benötigt.
Damit sind Operationsverstärker i. d. R. überfordert.
Hier bietet sich die u. a. diskrete Lösung an:
Dämpfungs- und reflexionsfreie/arme T-Verbindung von Koaxialkabeln mit Gyrator
Die Transistoren T1 und T2 bilden den negierten Widerstand R1
zwischen ihren Kollektoren ab.
R2, R3 und R4 bilden einen Spannungsteiler zur
Erzeugung der Basisvorspannungen von T1 und T2.
C1, C2 und C3 müssen so groß sein, dass sie für die in Frage
kommenden Frequenzen möglichst einen Kurzschluss darstellen.
Dementsprechend liegen die Widerstände R2, R3 und R4 HF-mäßig
parallel zum Signal.
Zur Kompensation dieser Widerstände
muss R1 entsprechend kleiner gewählt werden.
Zur Versorgung des Gyrators muss dem Signal eine Gleichspannung
überlagert werden, wie es z. B. auch in der SAT-Technik üblich ist.
Da die verwendeten HF-Transistoren kaum mehr als 10 Volt vertragen,
muss bei höheren Betriebsspannungen das RC-Glied R5/C3 und ggf.
weitere Maßnahmen zum Überspannungsschutz eingefügt werden.
Je nach Dimensionierung und Betriebsspannung
können Signalpegel bis zu mehreren Vss weitgehend
verzerrungsfrei verarbeitet werden.
© Jörg Rehrmann 2010